ASIN/ISBN: 3426633094 |
Die zwölfjährige Tochter des Starpsychotherapeuten Viktor Larenz ist spurlos verschwunden. Erzählt wird aus der Erinnerung - allerdings auktorial - da Larenz gefesselt an ein Bett in der Psychiatrie liegt. Er hat seinen Beruf aufgegeben, einen Privatdetektiv eingesetzt, ist zum Alkoholiker verkommen und hat sich zuletzt in sein Ferienhaus auf die Insel Parkum begeben. Hier will er auf die (schriftlichen) Fragen der (Illustrierten) Bunten antworten, die daraus ein Interview basteln wollen. Das klappt aber nicht so gut, weil Erinnerungen ihn immer wieder herausreißen. Plötzlich steht eine junge Frau vor der Tür, die ihn um eine Therapie bittet, was er ablehnt, aber mehr oder weniger durch die Umstände dazu gezwungen wird. Schon in der ersten unfreiwilligen Sitzung ist Dr. Larenz aber gefesselt: Das, was die Patientin erzählt, stimmt in vielen Details mit seinem Fall, mit dem Verschwinden seiner Tochter überein. Aber von Seite zu Seite wird alles merkwürdiger. Das Verhalten und die Aussagen der Patientin werden immer widersprüchlicher. Personen, wie die des Bürgermeisters der Insel, sind nicht mehr nachzuvollziehen (für Viktor Larenz und den Leser). Die Stimmung ist düster, da ein Sturm die Insel im Griff hat und vom Festland abschneidet. Außerdem wird der Protagonist krank. Grippe, wie er zunächst glaubt.
Auf Seite 99 wusste ich bestimmt, wer der Täter ist und warum. Ich habe überlegt, ob ich die Lektüre aufgeben soll. Auf den folgenden zehn Seiten geriet meine Theorie dann ins Wanken und wurde fallen gelassen. Am Schluss war es dann tatsächlich so - aber anders. So richtig neu war das alles nicht, von einem eigenständigen, neuen Plot kann nicht die Rede sein. Der Autor hat es aber geschafft, das ganze so zu verpacken, dass die Spannung immer wieder neu aufgebaut wird und die Lektüre bis zum Ende gut durchgehalten werden kann.
Die Sprache ist einfach und nicht sehr kunstvoll. Die Erzählweise variiert kaum. Allerdings gelingt es dem Autor, einen flüssigen Erzählstil zu schaffen, der das Lesen leicht macht. Sicherlich liegt ein Teil des Erfolges der Bücher von Fitzek darin begründet. Bestimmt liest niemand die Bücher wegen der Sprache - aber es wird auch kaum jemand dadurch am Lesen gehindert.
Wie in den meisten Psychothrillern spielt auch dieser mit Ängsten. Das düstere Szenario mit dem Sturm auf der Insel trägt als Hintergrundkulisse die richtige Stimmung auf. Die unerklärlichen Vorfälle, die Anzeichen von Verschwörung und Hinterhalt, das Spielen mit Vorstellungen und Realitätsverlust - das förderte Ängste, die jeder (Leser) im Kleinen auch schon mal erlebt hat und die hier zu einer bedrohlichen Größe anwachsen. Gott-sei-dank nicht für die Leser direkt, da aber immer ein wenig Identifikation mit den Personen in der Geschichte stattfindet, ist eine individuelle Übertragung schon mal gesichert.
Es wird viel gelästert über Fitzek. Das war der Grund für mich, selbst mal hineinzulesen. Ich kann diese unbestimmte Kritik nicht nachvollziehen. Von einem Psychothriller erwarte ich keine literarische Glanzleistung. Spannend muss er sein und vor allem lesbar. Und der Plot sollte nicht zu dünn kommen. Einen neuen Plot zu schaffen dürfte außerordentlich schwierig werden. Einen vorhandenen so zu verpacken, dass man ihn (zumindest in der vorliegenden Form) nicht erwartet, reicht dann aus. Das ist Fitzek mit seinem Erstlingsroman durchaus gelungen. Lust auf weitere Romane von ihm habe ich vorläufig keine. Allerdings ist die Hemmschwelle, in einer bestimmten Situation zuzugreifen, wenn nichts besseres anliegt, deutlich gesunken. Zwei, drei Abende Unterhaltung sind drin und das ist immerhin schon etwas, was nicht jeder Autor bieten kann.