Rubljovka - Straße zur Glückseligkeit

  • Rubljovka, das ist die Landstraße vor den Toren Moskaus, an der spätestens seit der russischen Revolution die Reichen und Mächtigen siedeln und an der nun der neue Geldadel seinen Platz einfordert. Irene Langemann lässt in ihrem Film 13 Anwohner dieser Straße zu Wort kommen: von der Pelzhändlerin, die eine verwöhnte Schönheit beim Kauf ihres Dritt-Zobels berät über ein altes Mütterchen, das sich neben ihrem lauten Anwesen direkt an der Rubljovka das Wasser für den täglichen Bedarf aus einem alten Brunnen hochkurbeln muss. Leiharbeiter aus ehemals sowjetischen Staaten kommen zu Wort wie Immobilienmakler, die Teil des Systems sind, das alteingesessene Normalverdiener erpresst, entweder ihr Grundstück zu räumen oder das Schicksal derer zu teilen, deren Anwesen einfach angezündet wird.


    Langemann taucht tief ein in das Selbstverständnis einer Oberschicht, die sich einredet, sich ihren bizarren Wohlstand erarbeitet zu haben und ihr Wolkenkuckucksheim von aggressiven Sicherheitsleuten verteidigen lässt. Es ist erstaunlich, welche Aufnahmen und Einblicke ihr trotz der Schikanen seitens der russischen Obrigkeit gelungen sind. Dennoch vermeidet Langemann ein klischeehaftes Schwarz-Weiß-Bild: die Grenze zwischen gut und böse verläuft meistens innerhalb der Protagonisten wie dem 12-Jährigen, der ein größeres Zimmer in einer Landhausvilla einfordert und gleichzeitig eine dezidierte Vorstellung darüber hat, woran die Gesellschaft kranke, die sich eine demokratische Fassade errichtet hat, die lange nicht so gut gepflegt wird wie die Häuser des Geldadels. Oder der Maler, der sich von den Superreichen sechsstellige Summen für geschönte Portrait-Gemälde zahlen lässt und die Einnahmen, die seinen Lebensstandard von 30,000$ im Monat übersteigen, für soziale Projekte spendet.


    Ein überaus realistischer Dokumentarfilm, der in sehenswerten Bildern den Zeigefinger in die richtigen Wunden legt, ohne ihn zu erheben. Ein sehr sehenswertes Zeitdokument.