Hilfe! Bitte! Korrekturblockade!

  • Hallo alle, Leidensgenossen, oder auch nicht, wer weiß, vielleicht geht es Euch ja besser.


    „Wochenlange Schreibblockaden gibt es nicht“, hat hier neulich mal jemand geschrieben.
    Hatte ich auch noch nicht.
    Was ich habe, und zwar gewaltig, sind Korrekturblockaden.
    Aber wie.


    Der Text liegt auf dem Schreibtisch, und mir wird körperlich übel, wenn ich näher als zwei Meter ran komme.


    Jedes Mal, wenn ich mich dann doch davor setze, sehe ich SOFORT einen Satz, der gar nicht geht.


    Meinen Erzähler kannte ich irgendwann in und auswendig. Das war gut.
    Jetzt kenne ich ihn gar nicht mehr. Er interessiert mich auch nicht. Er besteht aus völlig zusammenhanglosen Sätzen, die alle mehr oder weniger Scheiße sind.


    IST DAS NOCH NORMAL?


    Es sind ca. 150 Seiten, ich lese sie jetzt das gefühlte zweitausendste Mal.
    Es ist die dritte Version, bei den ersten beiden bekam ich Kommentare von der Größenordnung, wie Lyrx gerade für seinen BT. Das heißt: Immer alles von vorne neu durcharbeiten – Perspektive, Zeitabfolge, Spannungsbogen.
    Inzwischen weiß ich nicht mal mehr, ob es noch irgendeinen Spannungsbogen gibt.


    Vielleicht sollte ich mal richtig ein paar Wochen was anderes machen. Aber ob ich dann wieder rein komme? Das ist meine Frage an Euch... wie geht Ihr mit den längeren Projekten um... bin ich noch zu retten?


    Verzweifelt, Sabine

  • Hallo, Sabine.


    Zitat

    IST DAS NOCH NORMAL?


    Absolut. Normaler als normal. Wundern müßtest Du Dich, wenn es nicht so wäre.


    Zitat

    Vielleicht sollte ich mal richtig ein paar Wochen was anderes machen.


    Womit Du auch das m.E. einzige wirksame Gegenmittel genannt hast. :)

  • Zitat

    Original von Tom
    Womit Du auch das m.E. einzige wirksame Gegenmittel genannt hast. :)


    Dito! Jenau so isset!

  • Stimmt genau, was ihr sagt! Es dreht sich einem manchmal der Magen um, wenn man an das, was man da so zusammengeschrieben hat, wiederlesend herangeht. Begeisterung lösen leider oft nur die Skizzen und Materialsammlungen aus, die man für kommende Werke angelegt hat, ... :frust

    Non quia difficilia sunt, multa non audemus, sed quia non audemus, multa difficilia sunt. Seneca
    [Nicht weil es schwierig ist, wagen wir vieles nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist vieles schwierig.]

  • Hallo, und vielen Dank für die aufmunternden Worte!
    Ich glaube, selbst mit dem nochmal Testlesen lassen warte ich noch ein Weilchen. Ich hab ja noch nicht mal alle Korrekturen drin vom letzten Mal, und weiß viel zu genau, was ich noch machen muss...
    Vielleicht ist es echt am besten, ich lege den Text mal richtig weg. Dieses komplette Zerfasern in einzelne Sätze macht mir ein wenig Angst.


    Tom
    Bei den bisherigen Korrekturen half mir immer wieder Deine Umformulierung eines alten Satzes (gefunden auf Deiner Homepage, vielen Dank!):
    Zu den 10% Prozent Talent addierst Du 90% DURCHHALTEVERMÖGEN (nicht Ausdauer, oder Fleiß, oder so). Gut, dachte ich, dass auch andere so sehen. Also: Durchbeißen!
    Jetzt aber ist der Satz aufgebraucht.
    Und ich habe eine neue Frage: Wann weiß man denn, dass man den ersten Roman einfach weglegen muss, weil er fertiger nicht wird?
    Du schreibst ja, dass Du Deinen ersten nie veröffentlicht hast, und auch weißt, dass er dafür nicht gut genug ist. Die Frage ist: wann weiß man das? Ein ganzes Jahr zur Seite legen, zwischendrin was anderes schreiben und erst dann wieder anschauen? Oder wie war das bei Dir?
    (Gerne auch bei anderen, die das erlebt haben?)
    Woher weiß man, ob ein Roman generell das Potential hat, fertig zu werden, unabhängig von all dem Handwerklichen, dass man bei den Korrekturen immer weiter lernt (denn ich lerne Neues, jedes Mal, aber das wird ja hoffentlich immer so bleiben)?


    Vielen Dank, Sabine

  • hallo sabine,


    Zitat

    Original von SabineS
    Und ich habe eine neue Frage: Wann weiß man denn, dass man den ersten Roman einfach weglegen muss, weil er fertiger nicht wird?


    ich würde sagen, wenn du nach mehreren wochen pause das ding in die hand nimmst, beim lesen nicht stolperst und es dich nicht juckt noch etwas zu verändern.


    ich schriebe gerade selbst meinen ersten roman und bekomme nicht wie andere den großen schreibflash und schreibe nicht dutzende seiten auf einmal (was auch damit zu tun hat, dass ich alle kapitel getrennt rechercieren muss). ich überarbeite das geschriebene schon ein paar tage später und hoffe dadurch nicht viel blind ins blaue zu schreiben. wenn alles das erste mal fertig ist, werde ich es mit abstand noch mehrmals durchgehen und hoffen, dass mir noch ideen zb für neue formulierungen kommen. oder, dass mir die logischen lücken noch auffallen und ich sie schließen kann.



    Zitat

    [i]
    Woher weiß man, ob ein Roman generell das Potential hat, fertig zu werden, unabhängig von all dem Handwerklichen, dass man bei den Korrekturen immer weiter lernt (denn ich lerne Neues, jedes Mal, aber das wird ja hoffentlich immer so bleiben)?


    wahrscheinlich, wenn du keine großen fragezeichen mehr im kopf hast, was die hauptgeschichte angeht und dein bauch dir sagt, dass die dinge anfangen sich zu zusammenzureimen.


    viel erfolg,
    michael

  • Hallo Sabine,


    das Problem, was ich beim Zurseitelegen des Textes sehe, besteht darin, dass Du wahrscheinlich auch in ein paar Wochen wieder an denselben Formulierungen festhängen wirst, an denen Du jetzt bereits festhängst. Abstand KANN helfen, muss aber nicht.


    Deshalb wäre mein ganz einfacher Tipp: Mach Dich täglich für einen bestimmten Zeitraum an Deinen Text, versuch, die Schwächen, die Du siehst, auszubessern. Und dann gib den Text doch wieder anderen zum Lesen. Hilfreich finde ich es immer, wenn man seinen Testlersern Fragen stellt zu genau den Punkten, über die man sich nicht schlüssig ist. Ich bin da durchaus auch schon mal bis in einzelne Sätze gegangen, habe meinen Lesern gesagt, was ich mit dem Satz beabsichtige und ob ich das auch erreiche. Das ist eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Testleser, und Du bräuchtest jemanden mit "analytischen" Lesefähigkeiten, der Dir aufzeigen kann, wo und warum Absicht und Ziel auseinandergehen (so sie das tun).
    Ich weiß schon, Du wolltest erst mal keine neuen Testleser, aber ich fürchte, auf Dich alleine gestellt, wirst Du anfangen, dich im Kreis zu drehen.


    Liebe Grüße
    Anja

  • Hallo Sabine, 8)
    zur Seite legen ist gut, mache ich auch immer so. Entweder dann mit etwas ganz anderem Ablenken, oder einfach ein neues Projekt beginnen. Nach einiger Zeit wirst du feststellen, dass du einen gewissen Abstand zu dem Text bekommen hast und kannst ihn mit ganz anderen Augen sehen.


    Täglich ein bischen schreiben ist auch ein guter Tipp, funktioniert aber nicht bei jedem. :budo


    Den ersten Roman habe ich auch schon hinter mir. Der liegt in der Schublade und ich habe auch nicht vor ihn jemals wieder heraus zu holen. leg ihn weit weg, in die Schublade oder sonst wo hin und mach was neues! 8o


    Nach einiger Zeit wirst du selber einen gewissen Unterschied bemerken ... in der Qualität, im Aufbau usw.
    Und du wirst selber denken wie mangelhaft dein erstes Projekt eigentlich gewesen ist. Ruhe in Frieden ... :klo1 So war es zumindest bei mir!!!!


    Gruß Stefan!