Gibt es einen "eigenen" Stil?

  • Hallo alle,


    in Bernds Beitrag ist diese Frage aufgeworfen worden. Und da ich sie interessant finde, eröffne ich nun eine eigene Diskussionsrunde.
    Vielleicht mag ja jemand mitmachen.


    Die Ausgangsfrage steht bereits oben in der Überschrift: Gibt es Autoren mit einem "eigenen", also einem unverkennbaren Stil?
    Man könnte es auch auf die "Erzähltechnik" ausweiten.
    Ich behaupte, es gibt ihn. Um ein paar Autoren zu nennen, die für mich einen unverwechselbaren Stil haben:


    E.T.A. Hoffmann
    J.v. Eichendorff
    Franz Kafka
    Thomas Mann
    oder, in neuester Zeit, Wolf Haas.


    Um nur einige, wenige zu nennen, die Liste ist natürlich erweiterbar.


    Und noch eine Frage:
    Glaubt Ihr, man kann an seinem eigenen Stil arbeiten?


    Letzteres kann ich auch nicht beantworten ?(.


    Bin gespannt auf Meinungen
    Anja

  • Hallo, Anja


    Das sind ja alles Männer, die du da auflistest!
    8o
    Hier also mal ein bisschen zweite Hälfte meines literarischen Himmels:
    Ganz sicher einen Personalstil hat Pat Califia. Allerdings ist sie mittlerweile ein er.
    Eine eigene Schreibe meine ich beispielsweise auch bei
    Karen-Susan Fessel
    Martha Grimes
    Selma Lagerlöf
    Charlotte McLeod
    Corinna Waffender
    Virginia Woolf
    zu entdecken.


    Und ich glaube, dass es möglich ist, am eigenen Stil zu arbeiten. Sonst wäre das erste Buch so gut wie das fünfte (oder das jüngste so unfertig, wie Debüts oft genug nun einmal sind. Wenn es keine schreiberische Entwicklung mehr gibt, dann wird es meiner Meinung nach gefährlich. Für Männlein wie Weiblein.


    Schöne Grüße von blaustrumpf

  • jeder wird mit der zeit seinen eigenen stil entwickeln (müssen), wenn er oder sie erfolgreich sein will, abschreiben oder imitieren ist nicht der richtige weg.
    gruss
    herby

  • Natürlich hat jeder seinen eigenen Stil - ob nun Bestsellerautor oder nicht. Ich denke, der feine Unterschied zwischen richtig guter Schreibe und Mittelmaß liegt in kleinen Details, hinter denen aber viel Arbeit steckt.
    Leider bin ich des Englischen nicht mächtig genug, um meinen Lieblingsautor John Fante nur in der englischen Version zu lesen, viel geht in der Übersetzung verloren. Aber der ist meines Erachtens derjenige, der die wortgewaltigsten Sätze hinkriegt, immer noch, obwohl schon alles älter ist.
    Gestern las ich im Spiegel in einem ganz anderen Zusammenhang folgenden Satz (es ging darum, dass der Song Yesterday angeblich von einem neapolitanischen Volkslied geklaut sei):
    Große Künstler kopieren, kleine Künstler imitieren.
    Da will ich noch anfügen: und die ganz großen finden ihren eigenen Stil. Ob man das aktiv sucht oder nicht, wers hat, das gewisse Etwas, zu dem kommt das irgendwie (und wer mir nun sagt, WIE genau, der... :blume :blume :blume)
    Silke

  • Tja Loide,


    dass ist schon so eine Sache mit dem Klauen. Wenn McCartney bei einem Konzert der Beatles in Italien weilte und ein Neapolitaner eine kleine Melodie pfiff, die ihm im Ohr blieb und aus der er zwei Jahre später "Yesterday" destillierte: Ist was "klauen"?


    Hat Patrick Süskind bei E. A. Poe geklaut, nur weil in der Kurzgeschichte ein gewisser Grenouille Nasologie studiert? An Zufall mag ich hier nicht glauben, eher an Inspiration, weil beide Geschichten inhaltlich kaum etwas bis gar nichts gemein haben.


    Wo beginnt das Plagiat? Bei Texten lässt sich das sicher besser festmachen als bei Musik - gerade im Zeitalter des "Samplens".


    Nichtsdestotrotz - der Kanon von Autoren mit eigenem Stil lässt sich endlos verlängern, aber liegt schriftstellerisches Können nicht mitunter auch darin, gänzlich unterschiedliche Stile zu benutzen und vollkommen andere Genres zu bedienen?


    Welche SchriftstellerInnen können denn eine möglichst breite Palette an Stilen und Genres qualitativ hochwertig abdecken? Auf Anhieb fällt mir nur William Kotzwinkle ein.


    Herzlichst


    Wolf P.

  • Gute Frage.
    Ich denke, Autoren haben diesen Stil nicht, sie benutzen ihn. Sie könnten beim Schreiben durchaus auch einen anderen anwenden. Für den Leser ist es aber weniger irritierend, wenn der Autor bei einem Stil bleibt. Denke ich mal.

  • Zitat

    Original von Wolf P
    Welche SchriftstellerInnen können denn eine möglichst breite Palette an Stilen und Genres qualitativ hochwertig abdecken? Auf Anhieb fällt mir nur William Kotzwinkle ein.


    Wie wär's mit Seneca, Goethe, Strindberg, Enzensberger ...


    Ich kenne Kotzwinkle nur dem Namen nach, aber kann er wirklich in Epik, Lyrik, Drama und Sachbuch mit den Genannten mithalten?


    Alexander

    Non quia difficilia sunt, multa non audemus, sed quia non audemus, multa difficilia sunt. Seneca
    [Nicht weil es schwierig ist, wagen wir vieles nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist vieles schwierig.]

  • Hallo, Ihr alle, die Ihr mir geantwortet habt,


    Ihr bestätigt mich in dem, was ich in Bernds Beitrag geschrieben habe. Es hat eben doch jeder seinen eigenen, mehr oder weniger prägnanten Stil.


    @Blaustrumpf: Ich habe die Frauen keineswegs absichtlich ausgelassen, aber mir sind auf Anhieb wirklich nur diese Männer da oben eingefallen :).


    @Herby: Natürlich hast Du recht. In der Diskussion im anderen Beitrag ging es aber weniger ums Imitieren, sondern vor allem um die Frage, ob es einem durchschnittlich begabten Autor überhaupt möglich ist, einen eigenen Stil zu haben.


    @Silke: Das gewisse Etwas. Wenn Du vor mir erfahren solltest, wie man da dran kommt, sagst Du es mir, bitte bitte bitte :blume.


    @Wolf: Das Argument finde ich interessant. Ich glaube übrigens, dass man einen stiliistisch sehr eigenwilligen Autor (als selber Schreibender) daran erkennt, dass man aufpassen muß, um nicht aus Versehen zu Kopieren.


    Charly: Ich glaube, sie HABEN ihn zu einem gewissen Grade auch. Ich glaube, wenn man nicht absichtlich eine sehr artifizielle Sprache wählt, dann landet man nach einiger Zeit beim Schreiben in einem ganz eigenen Rhythmus und einer Sprachmelodie. Das ist dann für mich ein Teil des "eigenen Stils".


    @Alexander: Sicher, Goethe hat Drama, Prosa und Lyrik geschrieben. Aber kennst Du einen Trivialroman von ihm :)?


    In Summe bestätigt Ihr mich aber alle in dem, was ich drüben in Bernds Thema behauptet habe. Die meisten professionell Schreibenden (ich rede bewusst nicht von Leuten, die sich ab und zu hinsetzen und ein paar Texte für den Hausgebrauch schreiben, sondern von denen, die in irgendeiner Form publizieren) haben durchaus ihren eigenen Stil.


    Danke (bisher) fürs Mitmachen.
    Vielleicht melden sich ja noch mehr zu Wort.


    Anja

  • Zitat

    Original von Anja
    Die meisten professionell Schreibenden (ich rede bewusst nicht von Leuten, die sich ab und zu hinsetzen und ein paar Texte für den Hausgebrauch schreiben, sondern von denen, die in irgendeiner Form publizieren) haben durchaus ihren eigenen Stil.


    Nur der Autor selbst wird seinen eigenen Stil als solchen eben nicht als "eigen" empfinden (können), oder? Interessanterweise stellen wir als Leser ja selbst im Kollegenkreis durchaus den einen oder anderen prägnanten Schreibstil fest, nur wenn man versucht seine eigenen Texte daraufhin abzuklopfen ist das so, als ob man sich selbst kitzeln wollte - klappt nicht.


    Gruss,


    Bernd

    "Der erfolgreiche Abschluss infamer Aktionen steigert Ihren Bekanntheitsgrad, was für Ihren Feldzug zur absoluten Weltherrschaft unglaublich wichtig ist." (aus dem Benutzerhandbuch des PC-Spiels Evil Genius)

  • Hallo Bernd,


    vielleicht ist das sogar ganz gut so. Man könnte sonst sehr schnell in Versuchung kommen, diesen Stil zu forcieren. Bestimmter Stilmittel bin ich mir bei mir selber allerdings inzwischen bewusst. Andere haben sie mir an meinen eigenen Texten gezeigt, und mittlerweile weiß ich sehr genau, wann ich sie einsetze. Aber das gilt vorwiegend für den Journalismus.
    Und immer noch bleibt (damit wären wir wieder bei Deinem Thema über die viel besseren Kollegen) das Gefühl, dass man selber so entsetzlich durchschnittlich schreibt. Wogegen die vielen anderen ... Das hatten wir ja schon :).


    Liebe Grüße
    Anja

  • Ich denke doch, dass es einen eigenen Stil gibt, und zwar als Richtlinie, ob ich grade "irgendwas" schreibe, oder ob wirklich "ich" schreibe.
    Ich kann das vielleicht an einer anderen Sache verdeutlichen: als ich noch inszeniert habe, saß ich eines Tages in der 2.Hauptprobe meiner Inszenierung, also ca. 5 Wochen nach Probenbeginn und 2 Tage vor Premiere, habe mir den Durchlauf angesehen und ständig gedacht: wer hat denn das auf die Bühne gestellt? Die ernüchternde Erkenntnis: ich war es selber. Aber nur eine Szene von ca. 5 Minuten in diesen 90 Minuten Martyrium hatte etwas damit zu tun, was ich mir unter dem vorstellte, was ich eine gute Inszenierung nenne. Und so ist es auch beim Schreiben: es gibt Tage, da verzapfe ich Dinge, in einer Art, dass es mir die Zehennägel hochbiegt. Und das ist dann doch ein ganz gutes Regulativ, um zu sehen, was man grade produziert. Auch wenn's die anderen nicht merken ;).
    Grüße
    Ingrid

  • Zitat

    Original von Anja
    Gibt es Autoren mit einem "eigenen", also einem unverkennbaren Stil?
    Man könnte es auch auf die "Erzähltechnik" ausweiten.



    Annie Proulx
    A.L. Kennedy


    Bei Kennedy bin ich nicht so ganz sicher, ob ich sie in anonymen Texten einwandfrei wiedererkennen würde, aber bei Proulx schon.