Robert Sedlaczek: Das österreichische Deutsch

  • Ich bin das Resultat aus der "Verbindung" eines amerikanischen Soldaten und einer Österreicherin. Als wenn das noch nicht gereicht hätte, kommt hinzu, dass die Eltern meines Vaters 1933 aus Niederbayern in die USA ausgewandert waren. Ganz klar, dass bei dieser Mischung nichts Gescheites herauskommen konnte!


    Und damit mir nicht langweilig wurde, wuchs ich teilweise in Österreich bei meiner Mutter und teilweise in den USA bei meinen Großeltern (mein Vater war gerade dabei, Vietnam vom Kommunismus zu befreien) auf. Ich war also ständig von fünf Weltsprachen umgeben: Deutsch, Österreichisch, Niederbayerisch, Oberbayerisch und Englisch.


    Natürlich habe ich so keine einzige Sprache wirklich gut gelernt. Um dieses Manko auszugleichen, umgebe ich mich mit zahllosen Lexika, um nur gleich immer den Ausdruck, der gerade richtig sein könnte, nachzuschlagen.


    Da ist natürlich eine Deutsch-Österreichisches Lexikon Gold wert.


    Und was für ein schönes Lexikon das ist. So muß man(n) schon die wunderbar pornografischen Lebenserinnerungen der Wiener Dirne Josefine Mutzenbacher (von Felix Salten, dem Bambi-Autor) gelesen haben, um bespielsweise zu wissen, dass "Muschi" in Österreich auch "Fut" heißt. Na ja und wer das nicht weiß, liest eben dieses Buch, wo das auch erklärt wird.


    Ach und es gibt ja so viel, was die Deutschen sprachlichen von ihren südöstlichen Nachbarn unterscheidet: eine Kasse ist in Österreich eine Kassa. Ein Feldsalt ist ein Vogerlsalat, auch wenn gar keine Vögel drin sind. Kletzn sind Dörrbirnen, eine Doppler ist eine Zweiliterflasche Wein, wer in Deutschland schaukelt, tut in Österreich hutschn, ein Luftikus ist ein Hallodri, eine Tüte ein Sackerl, Pantoffeln sind Schlapfen und einen Klecks nennt man einen Patzn.


    Selaczek hat alle bekannten Unterschiede, aber auch viele obskure Wörter zusammen getragen, die nur noch Spezialisten bekannt sind. Varianten in der Aussprache werden genauso behandelt wie Untrerschiede in der Grammatik.
    Die vielen farbigen Illustratrionen, die von Werbeanzeigen über Karikaturen bis zu Ausschnitten aus Asterix reichen, lockern das Buch angenehm auf. Ein kurzer Essay, wie man gutes österrisches Deutsch spricht und schreibt, und ein ausführliches Register runden dieses ungemein vergnügliche Buch ab. Einer der besten Zuwächse meiner Bibliothek seit langem!


    Nur ein Wort habe ich nicht gefunden: Als ich ein Kind war, sagten wir zum Teppichklopfer immer "Pracker". Und einen anderen schönen Ausdruck habe ich auch nicht gefunden: "Sich umbringen" kann man in Österreich auch mit "sich hamdrahn" umschreiben. Ob ich Sedlaczek nun schreiben soll?


    ASIN/ISBN: 3800070758

  • Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson


    Ob ich Sedlaczek nun schreiben soll?


    Gewiss. Es wäre für den Herrn Professor und für die Folgeauflagen (einschließlich der vergnüglichen Leser) ein Gewinn.


    Grüße aus dem Taubertal


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Hallo TWJ,


    witzig finde ich auch die vielen typisch österreichischen Wendungen.
    Sag mal einem Norddeutschen, etwas "ginge sich nicht aus". Da kommt nur ein großes ?.


    Hat er die in seinem Lexikon auch drin?


    Gerade diese Wendungen übernimmt man als erstes, wenn man nach Österreich zieht, ich habe nie angefangen, Dialekt zu reden, würde sich auch völlig unnatürlich bei mir anhören. Aber diese Wendungen gebrauche ich ständig.


    Ich muss mir inzwischen sogar beim Schreiben von meinen deutschen Testlesern sagen lassen, ich würde die Regeln der Grammatik missachten (Ich sage "jemanden am Handy" anrufen. Ich habe ernsthaft überlegen müssen, was daran falsch sein soll 8o).


    Sehr hübsch ist übrigens auch der "Erlagschein", der ist bei deutschen Firmen so gut wie unbekannt.


    Liebe Grüße
    Anja

  • Zitat

    Original von Anja
    Sehr hübsch ist übrigens auch der "Erlagschein", der ist bei deutschen Firmen so gut wie unbekannt ist.
    Liebe Grüße
    Anja


    Anja: Du sagst es! Es gibt wirklich jede Menge sehr lustiger Wörter im Österreichischen. Das Gute bei diesem Buch ist, dass jeder Eintrag den österreichischen Ausdruck und sein deutsches Analogon direkt nebeneinander anzeigt. Also: Kutteln = Kaldaunen oder Dult = Kirmes oder Exeketuion = Pfändung.


    Je länger ich in dem Buch schmökere, desto besser gefällt's mir.

  • Was mir in der Geschäftskorrespondeniz mit Österreichern auch immer besonders gut gefällt, ist das Wort "urgieren". :-)


    P.S. Den Erlagschein habe ich mir eben ergoogelt. Nie gehört! Ich hätte allerdings eher auf Totenschein getippt, so kann man sich täuschen. :wow

  • Hallo,


    mal eben für alle, die immer noch rätseln, was ein "Erlagschein" ist:
    Ein ÜBERWEISUNGSFORMULAR :D


    Als ich so ein Ding mal von einer Firma haben wollte, musste ich das, weil mir das Wort nicht eingefallen ist, mühsam umschreiben: "Wénn eine Firma eine Rechnung stellt, dann kann sie doch so einen Zettel mitgeben, wo schon alle Daten draufstehen, da trägt man dann nur seine eigenen nach und gibt das bei der Bank ab ..." :albern


    Toll ist auch "Sessel" für einen ganz profanen Holzhocker. Und schön finde ich auch den "Kleiderkasten" (= Schrank).


    Liebe Grüße
    Anja

  • Hallo Ihr Lieben... inclusive ThJeff...


    Leiwaund ( stammt aus den Kinderschuhen des Kinos und bedeutet Hollywoodisches ) wird es erst, wenn das Mundartliche des Österreichischen aus der Nähe beaugapfelt wird.


    Da kann einem Ausländer "der Schiach angehen", wie wir Alpenländler sagen.


    "Schiach" kann mit "hässlich" übersetzt werden.. naja , so leidlich.


    "Gaudi" , also ein Spaß sind auch gewissen Maßeinheiten wie "ein Eitzerl", oder "ein Wengerl"... besonders beliebt beim Eisstockschießen.


    Zum Mundartlichen zurückkehrend... "Leiwaund" ( Leinwand ) sind vor allem unsere wunderschönen Umlaute...
    Da haben wir ein irres Sortiment an Deepthongs... besonders in der "Weistschteiamoak"... wo es den guten Schilcher gibt... zwischen Stainz und Gundersdorf...
    Natialich sogn mia Schteira "Schücha" zum Schilcherwein.



    ...und ein Eichkätzchenschweif ist und bleibt " a "Oachkatzlschwaof"... und irgendwo in meinem Hinterkopf geistert das Wort "Oaschkapplmusta". :bier


    Reinhard a schteirischa Beislwirt in Brasilien

  • Verehrte Anja,


    ich bin zwar kein Österreicher, deshalb die Frage:
    Täuscht Du Dich nicht, wenn Du einen profanen Holzhocker als Sessel bezeichnest?
    Ich meine ein Sessel ist schon etwas Vornehmeres, nämlich ein Stuhl.
    Ein profaner Holzhocker ist meiner Ansicht nach ein Schammerl oder seh ich das falsch.
    Was sagen die anderen Österreicher dazu.


    Grüße
    vom Berger Horst

  • Hallo Horst,


    mir sind schon ab und zu herkömmliche Holzhocker als "Sessel" angeboten worden :D. In meiner Anfangszeit hier habe ich mich noch etwas ratlos im Raum umgesehen ...


    Übrigens, Retourkutsche der Österreicher, korrektes Hochdeutsch spricht man keineswegs im norddeutschen Raum, sondern am BURGTHEATER!
    So ist das nämlich :).


    Liebe Grüße
    Anja


  • Ein Hocker ist im Österreichischen ein "Stockerl"!


    :bier


    Reinhard, ein Österreicher

  • Zitat

    Original von Lackinger
    [Ein Hocker ist im Österreichischen ein "Stockerl"!


    :bier


    Reinhard, ein Österreicher

    /


    Mit anderen Worten... eine Dame mit einem Hottentottengesäß hat nach östereichischem Ermessen genau genommen einen "Stockerlarsch"


    :evil

  • Ich habe zunehmend den Eindruck, daß das Österreichische pro Begriff/Ding noch mehr Wörter/Namen aufbringt als das Englische -- und das will was heißen! 8o



    Nachtrag á propos richtiges Hochdeutsch: Es heißt ja auch NeuHOCHdeutsch -- und hochdeutsche bzw. oberdeutsche Dialekte gehören in die geographisch hochgelegeneren Regionen.
    In Hannover etc. spricht man hingegen NeuNIEDERdeutsch. Genau genommen Allerneustniederdeutsch. =)

  • Zitat

    Original von Iris Kammerer
    Ich habe zunehmend den Eindruck, daß das Österreichische pro Begriff/Ding noch mehr Wörter/Namen aufbringt als das Englische -- und das will was heißen! 8o


    =)


    Moch kan Schmäh, Madl!


    Wir Österreicher sind ein ethnologisches Wunder, haben unsere sprachlichen Wurzeln in aller Welt... sogar im iiddischen...
    etwa so wie die Baianos Yorubá-Worte benutzen, ohne es zu spüren.


    Mir hat einmal ein alter Mönch erklärt, wir Österreicher seien großteils Kelten.
    Man würde das aus unserer Aussprache erkennen.


    ...und unsere Aussprache, wenn man es ganz genau nimmt, ist dem Englischem nicht unähnlich... besonders das Weststeirische. :bier

  • Hallo Iris,


    grundsätzlich hast Du ja recht mit dem Niederdeutsch.
    Aber wieso reden die dann an der Burg wie die Leute im Norden :evil ?
    Sprechen die dann da alle Burgtheaterniederdeutsch =)? Und ich dachte, an der Burg wird die Hochsprache in höchster Kultur gepflegt :albern


    Anja

  • Zitat

    Original von Berger Horst
    Ein profaner Holzhocker ist meiner Ansicht nach ein Schammerl oder seh ich das falsch.
    Was sagen die anderen Österreicher dazu.


    Grüße
    vom Berger Horst


    Horst,


    ein Schammerl ist, wenn überhaupt, nur für kleine Kinder sitzbar.
    Ein Schammerl dient einem Guitarristen, der einen Fuß auf ein Schammerl stellt, und die Guitarre auf den angewinkelten Oberschenkel stützt.
    Ein Schammerl ist nicht höher als ein Krügerl Bier oder ein Dackel, oder maximal 20 cm. :bier

  • Verehrte Anja,
    hallo Reinhard,


    natürlich, wo du es sagst, Reinhard, Schammerl auf deutsch: Schemel oder Fußschemel. War natürlich Quatsch, was ich da verzapft habe. Ich bitte alle Österreicher, meine vorlaute Unwissenheit zu entschuldigen. Werde mich in Zukunft, in dieser Fremdsprache, vorsichtiger ausdrücken.
    Ja, und Stockerl hätte ich eigentlich wissen müssen. Die Sieger beim Schifahren
    (hochdeutsch: -laufen) steigen aufs Stockerl nicht aufs Schammerl, weil das Stockerl sie einfach mehr erhöht, klar.


    @ Anja! Wo warst Du da eingeladen? Sind wohl sehr arme Leute gewesen, die
    sich keine Sitzgelegenheit mit Rückenlehne leisten können und deshalb ihre Stockerl als Sessel bezeichnen. Kann ich mir bei Österreichern gar nicht vorstellen. Die sind in der Regel reich, wie der Name schon sagt.
    Nochmals um Entschuldigung bettelnde Grüße
    vom Berger Horst

  • Hallo Horst,


    Über den Reichtum des Herrn kann ich Dir jetzt gar nichts Genaues sagen. Das war das Sprechzimmer eines Uni-Dozenten. Und der Hocker, gut, ich glaube, das war ein HolzSTUHL.
    Aber reich war da nicht viel.
    Obwohl es auch Dozenten gibt, deren Räume etwas besser ausgestattet sind. Aber hast Du schon mal von reichen Unis gehört :D?


    Anja

  • Zitat

    Original von Anja
    Hallo Horst,


    Über den Reichtum des Herrn kann ich Dir jetzt gar nichts Genaues sagen. Das war das Sprechzimmer eines Uni-Dozenten. Und der Hocker, gut, ich glaube, das war ein HolzSTUHL.
    Aber reich war da nicht viel.
    Obwohl es auch Dozenten gibt, deren Räume etwas besser ausgestattet sind. Aber hast Du schon mal von reichen Unis gehört :D?


    Anja


    Oxbridge.

  • ASIN/ISBN: 3110165740


    Wenn es dann so richtig ordentlich in die Unterschiedlichkeiten gehen soll, empfehle ich diesen lexikalischen Schmöker mit dem schönen Untertitel "Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland, sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol". Was machen eigentlich die dänischen Deutschen? Lernen die Schwedisch?


    Schöne Grüße von blaustrumpf