Früher, als es noch keine Lehrbücher "Erzählen lernen leicht gemacht" usw. gab, wurden viele exzellente Bücher geschrieben - ebenso wie heute. Die normativen Poetiken von Aristoteles, Horaz, Pseudo-Longin und, in ihrer Nachfolge, zahllosen mittelalterlichen und neuzeitlichen Autoren genügten denen, die schreiben wollten, wenn es um Theorie ging. Was dazu kam, war das Prinzip "imitatio veterum", also die Nachahmung der Alten, d. h. von Vorbildern.
Nur wer liest und dann schreibend Vorbilder nachzuahmen versucht (aber nicht durch Kopieren!), der konnte etwas Eigenes hervorbringen. Und ads gilt ja uneingeschränktauch noch heute.
Insofern hat sich eigentlich seit der Antike nichts geändert, bis auf den Umstand, dass wir es jetzt mit einer massenhaften Erscheinung zu tun haben: viele Leser - viele Autoren - viele Ratgeber, damit es mehr Autoren gibt, die den Hunger der Leser stillen (und neuen erzeugen)können.
Dass es nach wie vor Autoren gibt, die so genial, originell, vollkommen sind, dass sie ohne Ratgeber, Kurse, Seminare etc. auskommen, ist ja eigentlich auch nichts Neues. Es sind die wirklich "Großen", die zumeist außerhalb der Genres stehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Schriftsteller wie Peter Handke, Ernst Jünger, Irene Dische, Wilhelm Genazino oder Hartmut Lange sich noch groß mit Theorie und Lehrbüchern befassten oder befassen mussten, wie z. B. meinereiner, der wahrscheinlich allenfalls mit einem Talent(chen) gesegnet ist ...
Fazit: Schreiben ist nicht erlernbar, sondern übbar. Und je besser die Voraussetzungen (Begabung, Fleiß, Glück), desto überzeugender die Ergebnisse!