Grass karikiert

  • Hallo,


    wie wahrscheinlich die Meisten habe ich den "Karikaturenstreit" intensiv in der Presse verfolgt.


    Ich war begeistert von dem "comic" von Ralf König in der FAZ "Mohamedaner", freute mich über den Artikel von Sonia Mikich in der taz ("Was nun, ferner Bärtiger")


    http://www.taz.de/pt/2006/02/06/a0132.1/text


    Was mich wirklich schwer gewundert hat, war ein Interview mit G. Grass. In der Welt sagt er:


    "Woher nimmt der Westen die Arroganz, bestimmen zu wollen, was man tun darf und was nicht?"


    Das Interview steht hier:


    http://www.welt.de/data/2006/02/10/843397.html


    Ich kenne mich mit Grass zu wenig aus ("Katz und Maus" gelesen und "Blechtommel" gesehen) Sprich: Mir fehlt möglicherweise erklärender biographischer Hintergrund.


    Ist das Kalkül von ihm? Will er einfach nur in die Presse? Nein, oder? Natürlich hat er Recht, wenn er sagt - sinngemäß - die beschworene Meinungsfreiheit geht soweit, wie die Werbekunden der Magazine das zulassen - andererseits ist der Zeitpunkt doch denkbar ungünstig, wo das Blut von van Gogh kaum getrocknet und Salman Rushdie immer noch keinen festen Wohnsitz hat.


    In diesem Zusammenhang, als direkte Antwort auf Grass lesbar, folgender Artikel


    http://www.nzz.ch/2006/02/10/fe/articleDJXUR.html


    Viele Grüße,


    Sven

  • hallo sven,


    ja, dem ganzen begegnet man am besten mit ironie bis zynismus. sehr weise hat es der großartige dichter und titanic-chefredaktuer thomas gsella in der sendung zap (wdr) ausgedruckt:


    Zitat

    "Das Recht auf Witz ist eines der Grundrechte, viel wichtiger als das Recht auf unversehrte religiöse Gefühle. Es gibt ja kaum Gefühle, die derart zu Schäden geführt haben und Verbrechen nach sich gezogen haben wie diese religiösen Gefühle. Das Recht auf Witz ist ein viel höher anzusiedelndes."


    [URL=http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_std/0,3147,OID2284542_REF2488,00.html]http://www3.ndr.de/ndrtv_pages…ID2284542_REF2488,00.html[/URL]


    viele grüße,
    michael

  • Zitat

    Original von Sven
    Was mich wirklich schwer gewundert hat, war ein Interview mit G. Grass. In der Welt sagt er:
    "Woher nimmt der Westen die Arroganz, bestimmen zu wollen, was man tun darf und was nicht?" Sven


    Hallo Sven,


    vielen Dank für die ausgezeichnete Zustammenstellung der Links.


    Ich kenne von Grass auch nicht mehr als Du (beim Butt habe ich nach 250 Seiten wieder aufgehört, Hundejahre haben wir im Leistungskurs zu Gunsten von Frischs Stiller gekippt - wir konnten auswählen).


    Ich kann nur sagen: Grass ist so. Das, was er immer noch vertritt, sind alte Linke-SPD-Positionen aus den 70er Jahren; damals waren viele so.


    Ich finde es allerdings genauso wie Du sehr irritierend, wenn unser größter lebender Autor u.a. behauptet bzw. insinuiert ...


    1) dass die westlichen Gesellschaften, zumindest was Freiheit der Person, von Presse und Meinung betrifft, keinen Deut besser seien als die islamischen Länder - das ist halt einfach nicht wahr.


    2) dass die Reaktionen der Moslems alleine deshalb schon gerechtfertigt sind, weil die Karikaturen von einer rechten dänischen Zeitung veröffentlicht wurden.


    EIgentlich sagt Grass ja nichts anderes, als dass wir uns nicht so selbstgefällig gebärden sollten, da die von uns immer ins Feld geführte Pressefreiheit ja keine wirkliche wäre, da unsere Zeitungen (und Fernseh- und Radiosender) zwar nicht durch religiöse Interessen, aber durch finanzkräftige Werbekunden gesteuert würden.


    Cum grano salis ist da ein bißchen was dran - aber Grass übersieht dabei doch vollkommen, dass unserer Presse im Vergleich mit der Presse in totalitären Regimen, und viele islamische Gesellschaften sind totalitäre Regime, viel freier und offener ist.


    Genauso ausgeleiert wirkt Grass' Kritik am Irak-Krieg auf mich. Ich denke mir: wer gegen Bushs Irak-Krieg ist, der muss ja wohl mit Sadam Hussein und seinem Regime vorher ganz zufrieden gewesen sein. Auch wenn Sadam Hussein keine Atomwaffen besaß, so war es immer noch eine Regime, das Millionen Menschen über 25 Jahre hinweg verfolgt und ermordert hat. Davon scheint Grass allerdings nichts zu wissen!

  • Zitat

    Genauso ausgeleiert wirkt Grass' Kritik am Irak-Krieg auf mich. Ich denke mir: wer gegen Bushs Irak-Krieg ist, der muss ja wohl mit Sadam Hussein und seinem Regime vorher ganz zufrieden gewesen sein. ...


    Hallo Thom,


    nur ist Krieg nicht das geeignete Mittel, wobei zu bedenken ist, dass es vordergründig nicht um die Menschenrechte der "geknechteten Bevölkerung" ging. Militärische Auseinandersetzungen treffen zumeist diejenigen, die am wenigsten bzw. überhaupt nicht zur Situation beigetragen haben.


    Ich gehöre der Nachkriegsgeneration an, die mit Militär - insbesondere Bundeswehr - nichts am Hut hat. Ich selbst bin stolz darauf, niemals Wehrdienst geleistet zu haben. Für mich gilt immer noch der Satz: "Stellt euch mal vor es ist Krieg und keiner geht hin."


    Aber zurück zum Irak-Krieg. Nein, es geht in dieser Krise um die Vorherrschaft in diesem Raum, um die mittelfristige Sicherung der Energieresourcen bzw. der Ölfelder, sowie um die strategische Sicherung des Staates Israel. Im Hinblick auf das frömmelnde Sendungsbewußtsein eines George Bush noch die Anmerkung: den Ländern im Nahen und fernen Osten wird man zu keiner Zeit die staatlichen, demokratischen und mehr oder weniger laizistischen Verhältnisse des Westens aufzwingen können, dazu sind die Kulturen zu unterschiedlich. Die islamischen Völker müssen da selbst ihren Weg in eine moderne Gesellschaft finden, den wir zu respektieren haben. Dies sollte auch ein George Bush verstehen. Zwischen einem fanatischen Christen (wie Goerge Bush und vielen amerikanischen Bürgern) und einem fanatischen Islamisten besteht ja soweit kein Unterschied. Bei beiden ist es u.a. mit den Menschenrechten, der Meinungs- und Pressefreiheit nicht weit her.


    Man kann also nicht sagen: "wer dem Irak-Krieg nicht zugestimmt hat, wäre für das Regime des Sadamm Hussein gewesen. Das klingt so verdammt nach George Bush. Und warum sollten wir Europäer die Interessen der USA unterstützen?


    In diesem Sinne noch einen schönen Sonntag wünscht
    Tasso J.M.,

  • Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson


    Genauso ausgeleiert wirkt Grass' Kritik am Irak-Krieg auf mich. Ich denke mir: wer gegen Bushs Irak-Krieg ist, der muss ja wohl mit Sadam Hussein und seinem Regime vorher ganz zufrieden gewesen sein. Auch wenn Sadam Hussein keine Atomwaffen besaß, so war es immer noch eine Regime, das Millionen Menschen über 25 Jahre hinweg verfolgt und ermordert hat. Davon scheint Grass allerdings nichts zu wissen!


    Hallo Thomas,


    für mich klingt das wie: "hier" sind die Guten und "dort" sind die Bösen. Für mich ist diese Argumentationsweise ebenfalls "ausgeleiert". Ich muss gar nicht ausführlicher werden, da Tasso sich zuvor schon differenzierter dazu geäußert hat. Ein Politiker, der sich wirklich um die Bevölkerung gesorgt hätte, wäre das Übel von einer anderen Seite angegangen: der Verbesserung der Lebensverhältnisse.


    Grass hat schon immer seine Meinung (nicht nur der politischen) sehr direkt geäußert. Für mich war sie nachvollziehbar und "tolerierbar", selbst wenn Sie weit entfernt von meinen eigenen Ansichten und Meinungen stand; ich konnte zumindest verstehen, dass er sie so und nicht anders äußert. Anders etwa als bei einem Peter Handke, der sich zur falschen Zeit und auf die falsche Weise für das "serbische Lager" einsetzte oder die sonst so kritische und hellwache Luise Rinser, die sich vom "nordkoreanischen Regime" vereinnahmen lies.


    Und das schwierige an solchen Diskussionen ist ja immer wieder, dass wir den Sockel, auf dem wir selbst stehen und die Welt betrachten, nicht wirklich im Auge haben.


    Freundliche Grüße aus dem Taubertal


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Hallo Reinhardt, Hallo Horst-Dieter


    1. Ich halte den amerikanischen Einmarsch im Irak nicht für die beste Angelegenheit der Welt, aber für begreiflich und grundsätzlich akzeptabel. Ein schlimmes Terror-Regime wurde gestürzt und seine Führer juristisch zur Verantwortung gezogen; das war richtig. Dies jedoch bedeutet nicht, dass die Führung des Krieges in allen Einzelheiten (Abu Ghraib) in Ordnung war; das war sie nicht. Das bedeutet auch nicht, dass die Motive von Bush und seiner Clique (Verflechtung von Militär und Industrie) jederzeit redlich waren. Trotzdem gestehe ich Bush zu, dass er ein wirkliches Interesse an Demokratie und Menschenrechten und ihrer Verbreitung hat.


    2. Ich denke, dass wir Europäer durchaus - in vernünftigen Grenzen - uns mit den Interessen der USA solidarisieren sollten. Die Länder der EU und die USA haben vergleichbare gesellschaftliche Werte, berufen sich alle auf die Ideale der französischen Revolution und treten alle grundsätzlich für Demokratie, Pluralismus und Rechtstaatlichkeit ein. Um es pointiert zu sagen: Deutschland verbindet viel mehr mit den USA als mit der Türkei.


    3. Bush ist kein fanatischer Christ und gehört diesem Flügel der amerikanischen christlichen Rechten auch nicht an - auch wenn es Berührungspunkte gibt.


    4. Auch ich denke, dass die islamischen Gesellschaften ihren Weg in das 21. Jahrhundert finden und dazu z.B. die Trennung von Kirche und Staat erst noch druchsetzen müssen. Nur bedeutet Respekt gegenüber einer anderen Kultur und Religion und ihrer Entwicklungsstufe nicht, dass wir uns deshalb alles gefallen lassen müssen - was Grass jedoch andeutet.


    5. Nein, ich denke nicht, dass wir die Guten und die dort die Bösen sind. Ein solches SW-Denken läßt sich auch auf ganze Kulturen, Staaten und Gesellschaften ja gar nicht anwenden. Aber wenn ich die Länder der EU oder die USA mit islamischen Regimen wie Syrien, Saudi Arabien oder dem Iran vergleiche und mich dann frage: ja sind unsere politischen Systeme besser als deren Systeme, dann sage ich ganz klar: ja! Das heißt ja nicht, dass die Menschen oder die kulturellen Leistungen oder das Leben oder auch nur das Denken irgendwo besser wäre. Ich kann mich doch genauso gut fragen: ist die Bundesrepublik Deutschland ein besserer Staat als Hitler-Deutschalnd? Aber natürlich ist sie das.


    6. Horst-Dieter: gut, dass Du Handke und die Rinser erwähnst. Ich denke hier wie Du! Handke ist seit Jahren klar auf dem falschen Dampfert. Es ist für einen bedeutenden Schriftsteller doch sehr bemerkenswert, dass er für einen inhumanen Staat (den serbischen) und für inhumane Aktionen (ethnische Säuberungen) eintritt. Über Luise Rinser habe ich damals, als das Nord-Korea-Buch rauskam (1982?), schon den Kopf geschüttelt. Das ist zweifellos eine wirkliche verwerfliche Propaganda für ein Regime gewesen, das zu den schlimmsten der Geschichte gehört. Wir sollten aber nicht vergessen, dass viele europäische Intellektuelle (Sartre, Kroetz, Christa Wolf) bis weit in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts sich mit der UdSSR, Cuba oder China solidarisierten, als längst bekannt war, dass das zutiefst inhumane Regime waren bzw. sind (Cuba).

  • Hallo Thomas,


    Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    Trotzdem gestehe ich Bush zu, dass er ein wirkliches Interesse an Demokratie und Menschenrechten und ihrer Verbreitung hat.


    Ich habe da Zweifel, und nicht zu knapp.


    Zitat

    2. Ich denke, dass wir Europäer durchaus - in vernünftigen Grenzen - uns mit den Interessen der USA solidarisieren sollten. Die Länder der EU und die USA haben vergleichbare gesellschaftliche Werte, berufen sich alle auf die Ideale der französischen Revolution und treten alle grundsätzlich für Demokratie, Pluralismus und Rechtstaatlichkeit ein. Um es pointiert zu sagen: Deutschland verbindet viel mehr mit den USA als mit der Türkei.


    Auch diese Solidarisierung ist mir suspekt - sowohl zu der einen als zu der anderen Seite. Und was die vergleichbaren gesellschaftlichen Werte anbelangt - das ist so nur aus einer gewissen Distanz zu sehen. Bei näherer Betrachtung sehe ich da Unterschiede.


    Zitat


    4. Auch ich denke, dass die islamischen Gesellschaften ihren Weg in das 21. Jahrhundert finden und dazu z.B. die Trennung von Kirche und Staat erst noch druchsetzen müssen. Nur bedeutet Respekt gegenüber einer anderen Kultur und Religion und ihrer Entwicklungsstufe nicht, dass wir uns deshalb alles gefallen lassen müssen - was Grass jedoch andeutet.


    Mir gefällt das mit der Redewendung «gefallen lassen müssen» überhaupt nicht. Auch glaube ich, dass eine «statische» Betrachtungsweise hier nicht angebracht ist. Dass es im Nahen Osten (und nicht nur dort) heute so ist, wie es ist, ist nicht zuletzt auf «europäischem Boden» gewachsen. Die europäischen Interessen, die dort während der letzten 300 Jahre gewirkt haben - und zumindest bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts radikal und bestimmend - haben wesentlich dazu mit beigetragen, dass wir diesen Rückstand heute dort haben.


    Das heißt nicht, dass wir Terrorismus, Fanatismus etc. akzeptieren und dulden müssen. Aber es wäre gut, die Ursachen besser zu kennen und zu verstehen, wie es dazu kommen konnte. Dann kann man nämlich, ohne die Meinungs- und Pressefreiheit zu gefährden, in bestimmten Bereichen solange Zurückhaltung üben, bis man auf Gleichstand ist - oder wie die Politiker heute gerne so unglaublich undifferenziert sagen: «auf gleicher Augenhöhe» ist.


    Zitat

    Wir sollten aber nicht vergessen, dass viele europäische Intellektuelle (Sartre, Kroetz, Christa Wolf) bis weit in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts sich mit der UdSSR, Cuba oder China solidarisierten, als längst bekannt war, dass das zutiefst inhumane Regime waren bzw. sind (Cuba).


    Nicht nur des 20. Jahrhunderts. Ich denke, wir können die Liste zurückverfolgen bis zu den Anfängen der Menschheitsentwicklung (obwohl das nach hinten immer schwieriger mit der schriftlichen Fixierung wird :D). Und deshalb ist auch immer die Persönlichkeit als Ganzes zu betrachten. Ich schätze Luise Rinser trotz Ihrer Korea-Ansichten nach wie vor sehr und habe eher den Verdacht, dass sie in Ihrem Leben weniger Irrtümern unterlegen ist als ich.


    Und wenn Günter Grass sich auf seine bekannt streitbare Art meldet und auf den Sockel verweist, auf dem wir hier stehen, dann mag man über seine Ansichten streiten können und muss nicht unbedingt seiner Meinung sein - aber es wäre hilfreich, bei der Kritik daran nicht gleich wieder in Polarisierungen zu verfallen.


    Freundliche Grüße aus dem immer noch kalten Taubertal


    Horst-Dieter

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    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    ....Ich denke, dass wir Europäer durchaus - in vernünftigen Grenzen - uns mit den Interessen der USA solidarisieren sollten. Die Länder der EU und die USA haben vergleichbare gesellschaftliche Werte, berufen sich alle auf die Ideale der französischen Revolution und treten alle grundsätzlich für Demokratie, Pluralismus und Rechtstaatlichkeit ein. Um es pointiert zu sagen: Deutschland verbindet viel mehr mit den USA als mit der Türkei.


    Lieber Thomas,
    es geht nicht um gesellschaftliche, politische und sonstige Wurzeln, es geht vielmehr darum, dass zur Balance der Weltordnung eine zweite Weltmacht gehört, die "in Augenhöhe" zur USA steht. Dieses Gleichtgewicht ist seit dem Zerfall der UDSSR gestört. Soll heißen, die USA fühlen sich seitheit als Beherrscher der Welt, als "Gutmenschen", als "von Gott auserwähltes Volk".


    Die USA haben sich zu einer Macht entwickelt, die ohne Einbezug der völkerrechtlichen Institutionen wie der UN nach Gutdünken schaltet und waltet. Alles ist bei diesem Spiel erlaubt, was der USA frommt; da werden beispielsweise staatliche Interessen über die Menschenrechte (z.B. Todesstrafe und Folter, Nichtbeachtung der Haager Kriegskonvention, usw.) gestellt, Institutionen wie der Weltgerichtshof nicht anerkannt, bzw. man droht anderen Ländern - auch in Europa - sogar mit (zumindest) begrenzten militärischen Aktionen, wenn Amerikaner vor den Weltgerichtshof gestellt werden sollten.


    Nun, was bleibt, das ist nur die Möglichkeit Russland in die EU zu holen; die USA begeben sich ja ohnehin ins Abseits. Nicht vergessen werden dürfen auch die aufstrebenden Länder wie Korea und China. Europa würde letztlich der Rang abgelaufen, wenn wir nicht auch mit diesen Ländern konkurrieren könnten. Die Abgrenzung der EU gegenüber der USA wäre auch aus meiner Sicht weltwirtschaftlich vernünftig, da die größten, dann für uns greifbaren Energieresourcen in Russland, speziell in Sibirien liegen würden. Und bei den irgendwann kommenden militärischen Auseinandersetzungen wird es immer um Energieresourcen und Umwelt gehen, vielleicht verbrämt mit dem Kampf der Kulturen oder Religionen.


    Liebe Grüße
    Tasso J.M.

  • Tach,


    ich kann nicht behaupten, dass ich das Interview mit Grass schlecht finde. Sicher, er vertritt eine sehr "typische" Sichtweise der Linken, und insofern ist Grass politisch vorhersehbar - wie die meisten Menschen, die sich regelmäßig politisch äußern. Aber seine Beurteilung der Sachlage, der Rolle der dänischen Zeitung und seine Ausführungen zum Stichwort Selbstbetrug des Westens kann ich *weitgehend* unterschreiben. Mit Differenzierungen, natürlich.


    Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    Ich denke mir: wer gegen Bushs Irak-Krieg ist, der muss ja wohl mit Sadam Hussein und seinem Regime vorher ganz zufrieden gewesen sein.


    Also wirklich. :( Die Argumente der Kriegsgegner seinerzeit haben doch wohl kaum ahnen lassen, dass denen die Problematik dort am Arsch vorbei ging, oder was? Aber vielleicht lebe ich in einem andern Universum.


    Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    Nur bedeutet Respekt gegenüber einer anderen Kultur und Religion und ihrer Entwicklungsstufe nicht, dass wir uns deshalb alles gefallen lassen müssen - was Grass jedoch andeutet.


    Ich kann diese Andeutung nirgends finden. Was Grass sagt, ist, dass die Aggression von islamistischen Fundis seine Spiegelung im Westen hat, und diese Ansicht teile ich. Allerdings finde ich seinen Umgang mit dem Begriff Fundamentalismus zumindest in diesem Interview etwas platt.


    Im übrigen -


    Zitat

    Original von Horst Dieter
    Dass es im Nahen Osten (und nicht nur dort) heute so ist, wie es ist, ist nicht zuletzt auf «europäischem Boden» gewachsen. Die europäischen Interessen, die dort während der letzten 300 Jahre gewirkt haben - und zumindest bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts radikal und bestimmend - haben wesentlich dazu mit beigetragen, dass wir diesen Rückstand heute dort haben.


    Das heißt nicht, dass wir Terrorismus, Fanatismus etc. akzeptieren und dulden müssen. Aber es wäre gut, die Ursachen besser zu kennen und zu verstehen, wie es dazu kommen konnte.


    Genau. :klatsch


    Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    wenn ich die Länder der EU oder die USA mit islamischen Regimen wie Syrien, Saudi Arabien oder dem Iran vergleiche und mich dann frage: ja sind unsere politischen Systeme besser als deren Systeme, dann sage ich ganz klar: ja!


    Das sehe ich auch so, eindeutig. Aber die politischen Konsequenzen sind nicht notwendigerweise als nächste Amtshandlung Bomben auf den Iran zu werfen.


    Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    Wir sollten aber nicht vergessen, dass viele europäische Intellektuelle (Sartre, Kroetz, Christa Wolf) bis weit in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts sich mit der UdSSR, Cuba oder China solidarisierten, als längst bekannt war, dass das zutiefst inhumane Regime waren bzw. sind (Cuba).


    Ich habe vor allem Schwierigkeiten mit der Solidarisierung mit Regierungen/politischen Gruppen, die immer noch ihren Stalin und dessen Gefolgsleuten huldig(t)en. Das ist aber ein weites Thema.


    Zitat

    Original von Horst Dieter


    Ich habe da Zweifel, und nicht zu knapp.


    Wenn man sich den Stand der Demokratie und Menschenrechte in den USA selbst ansieht (insoweit von Bush beeinflusst/gut geheißen), ist das wohl angemessen. X( Obwohl ich die derzeit übliche Bush-ist-böse-Plattitüde nervig finde, ist der Mann für mich das perfekte Beispiel für einen Demagogen. Bushs pathetische Reden, in denen der den Angriff auf den Irak angekündigt und später gerechtfertigt hat, fand ich unglaublich widerwärtig und verlogen - gerade angesichts des Bruchs internationalen Rechts und weiterführender Informationen von Interessenverflechtungen, die diese Region betreffen. Die Ansicht, dass der Irak aus Gutmenschen-Gründen platt gemacht wurde, halte ich schlichtweg für falsch.


    Grüße aus dem klirrkalten Norden,


    Berit

    Frau: "Warum müssen Frauen immer still sein?"
    Mann: "Weil sie dann länger schön bleiben."
    (Der Hexer, 1964)

  • Hallo Thomas,


    ich wäre mal gespannt darauf ob du den Krieg auch noch für gerechtfertigt halten würdest, wenn man dich morgen einziehen würde und du deinen Arsch hinhalten müsstest. Warum marschieren die Amerikaner eigentlich nicht in Pakistan, China, den Iran, und Kuba ein wo sie doch so grossse Menschenrechtsfreunde sind? Könnte es da noch andere Gründe geben?


    mit besten Grüssen


    Andreas

  • Hallo,


    ich kenne leider die Debatte über Rinser und Handke nicht. Sorry, muss ich gleich mal googeln.


    Ich habe immer den Eindruck, dass man es sich sehr leicht damit macht, einseitig auf der US-Politik rumzuhacken und zum x-tem Mal festzustellen, das Bush weder zu den Schlausten, noch zu den sympathischsten gehört.


    Natürlich sind Dinge wie Kyoto, Abu Ghraib, Guantanamo Bay, Patriots Act, Verbrennen von Dixie Chicks CDs und was weiß ich noch alles, nicht gerade geeignet Sympathie zu wecken. Und es steht auch außer Frage, dass im Irak vermutlich weniger Menschenrechte geschützt, sondern Öl gesichert wurde. Es ändert aber nun aber einmal nicths daran, dass dort auch im großen Stil Unrecht begangen wurde. Ehrlich wäre es sicher gewesen zu sagen: Wir lassen weiter foltern, erschießen etc., denn in Ruanda haben wir auch nicht eingegriffen. Aber diese Argumentation wäre bestimmt nicht weniger zynisch.


    Was ich an den USA sehr schätze ist, dass sie sich nicht zu Schade sind, mit moralischen Positionen zu argumentieren. "Evildoers" mag platt sein. Aber richtig. Natürlich aus einer westlichen Perspektive. Natürlich nicht berücksichtigend, dass der Palästinakonflikt seine Ursache in der britischen Besatzung hat. Aber ständige Selbstgeißlung ist mir dann doch eine zu passive Reaktion auf Selbstmordattentäter, eine mögliche nukleare Bewaffnung aus dem Iran oder Forderungen, Redakteuere einer dänischen Zeitung hinrichten zu lassen. Wie gesagt; Ich bin weit davon entfernt die Gangart des Westens rundum gutzuheißen -- aber ich finde es verstörender - wie jüngst geschehen - einen Angehörigen des Islam (fundamentalistischer Prägung) in London zu sehen, der unter dem Schutz der Meinungsfreiheit den Tot von ungläubigen Dänen fordert, als einen G. Bush, der gegen fundamentalistische Bösewichte wettert.


    Gruß,



    Sven

  • Zitat

    Original von Sven
    -- aber ich finde es verstörender - wie jüngst geschehen - einen Angehörigen des Islam (fundamentalistischer Prägung) in London zu sehen, der unter dem Schutz der Meinungsfreiheit den Tot von ungläubigen Dänen fordert, als einen G. Bush, der gegen fundamentalistische Bösewichte wettert.


    Hallo Sven,


    ich sehe in beiden Fällen die gleiche Haltung und die gleiche Motivation. Und weder vertritt der eine (Bush) westliche (christliche ?) Werte noch der Andere die des Islam.


    Außerdem kenne ich kein Beispiel aus der bekannten Weltgeschichte, bei der durch aktives Beginnen eines Krieges irgend eine positive Entwicklung in Gang gesetzt wurde.


    Zitat


    Was ich an den USA sehr schätze ist, dass sie sich nicht zu Schade sind, mit moralischen Positionen zu argumentieren.


    Wenn mann diese Positionen wirklich vertritt und dafür auch einsteht, dann ist das eine tolle Sache. Aber gerade das ist nicht zu sehen. Ohne irgendeiner Verschwörungstheorie anzuhängen sehe ich gerade die Politik der USA in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts alles andere als moralisch ausgerichtet. Der Schaden, der dadurch in der Welt angerichtet wurde führt die Tradition der europäischen Länder (NICHT nur die britische Besatzung in Palästina!) fort.


    Ich empfehle in diesem Zusammenhang den Artikel der NZZ (siehe Link im ersten Beitrag), der überraschend differenziert Position bezieht, sich allerdings in der Annahme, die Islamische Welt hätte aus der 200jährigen Berührung mit dem Westen nichts gelernt. Er hat - und das sehr gut!


    Grüße aus dem kalten, aber sonnigen Taubertal


    Horst-Dieter

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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann