Vom Umgang mit Kritik (SZ vom 7.2.06)

  • [URL=http://www.sueddeutsche.de/,jkl2/jobkarriere/erfolggeld/artikel/634/69565/]Lebenskunst: Besser geht immer[/URL]
    Chance statt Angriff: Wie man richtig mit Kritik umgeht und wie man sie gekonnt austeilt. Die wichtigsten Verhaltensregeln
    von Stefan F. Gross, Sünddeutsche Zeitung vom 7.02.2006

  • hallo iris,


    interessanter beitrag. als unbekannter autor ist meine erfahrung: entweder jemand schreibt eine rezension, weil ihm mein werk gefällt oder er lässt es bleiben. tertium non datur, wie der russe sagt, denn einen unbekannten autor in die pfanne zu hauen ist wohl journalistisch uninteressant.


    ob ich mal in den "genuss" komme einen richtigen verriss eines eigenen werkes lesen zu dürfen? eine gut strategie (unberechtigte) schlechte kritik wegzustrecken ist die prämisse nur den "richtigen" leuten gefallen zu wollen..


    zahlreiche grüße,
    michael

  • Hallo Iris,


    einer der interessantesten Aspekte in dem Beitrag war für mich die "Kritiksucht" unserer Gesellschaft.
    Ich habe einmal den Bassisten Thomas Quasthoff (hoffentlich richtig geschrieben, ich habe gerade keine Aufnahme von ihm hier liegen) in einem Radiointerview gehört. Er hat ja sehr schnell sehr große Karriere gemacht. Und er hat gemeint, die meisten hätten am Anfang nur darauf gelauert ihm nachweisen zu können, daß er längst nicht so gut wäre, wie sein schneller Aufstieg vermuten läßt. Er nannte es ein "typisch deutsches" Phänomen, ich kann zwar nicht beurteilen, ob das stimmt, aber diese "Mißgunst" gegenüber dem Erfolg ist mir auch schon häufig aufgefallen.


    Und das sage ich, die ich jahrelang nichts als Kritiken geschrieben habe. Allerdings finde ich, daß das eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe ist. Ich habe mich immer leichter getan, wenn ich es mit "berühmten" Künstlern zu tun hatte, als mit solchen, die das erste Mal auf der Bühne standen oder ein Stück von sich auf die Bühne gebracht haben.


    Liebe Grüße
    Anna

  • Zitat

    Original von Anna
    Hallo Iris,
    Ich habe einmal den Bassisten Thomas Quasthoff (hoffentlich richtig geschrieben, ich habe gerade keine Aufnahme von ihm hier liegen) in einem Radiointerview gehört. Er hat ja sehr schnell sehr große Karriere gemacht. Und er hat gemeint, die meisten hätten am Anfang nur darauf gelauert ihm nachweisen zu können, daß er längst nicht so gut wäre, wie sein schneller Aufstieg vermuten läßt. Er nannte es ein "typisch deutsches" Phänomen Anna


    Quasthoff ist ja von der Ausbildung her Jurist und noch dazu ein Contergan-Kind, wie man das einmal nannte. Er hatte es also doppel schwer, seinen Weg zu machen. Und Neid und Mißgunst sind unter Künstlern wirklich verbreiteter als - sagen wir - unter Steuerberatern.

  • Hallo Thomas,


    dass Quasthoff Jurist ist, wußte ich gar nicht. Ich weiß nur, daß er zuerst Radiomoderator war, beim NDR, wenn ich mich nicht irre.
    Mir ging es so, als ihn das erste Mal in einem Konzert erlebt habe, da habe ich ihn zunächst über diese Contergan-Behinderung wahrgenommen. Er hat mir leid getan und ich habe ihn an dieser Einschränkung und daher mit einem anderen Maßstab gemessen, sozusagen den "Behinderungs-Bonus" mitgegeben. Aber nach kurzem hatte ich genau diese Behinderung vergessen und habe nur noch den Sänger (und gehört).
    Wer so etwas kann, wer eine deutlich sichtbare Körperbehinderung, auch wenn man sie permanent vor Augen hat, vergessen machen kann über seine Kunst, der ist tatsächlich sehr gut.
    Fragt sich nur, warum dann immer noch Neider. Nach dem Prinzip: Wenn einen alle so gut finden, dann muß es doch irgendwo den Schwachpunkt geben.


    Übrigens, auch wenns jetzt die Ebene von Tratsch bekommt, er soll ungeheuer sympathisch und recht witzig sein im Umgang.


    LIebe Grüße
    Anna

  • Hallo Anna,


    er hat in einem Interview mal gesagt, dass seine Familie ihn zum Juristen bestimmt hätte, und er hat auch einige Semester studiert.


    Nun, ein Arzt würde nie über einen anderen Arzt was Schlechtes sagen, auch ein Rechtsanwalt würde nie einen anderen herabsetzen - Künstler tun das jedoch immer. Ich habe mich einige Zeit etwas intensiver mit Komposition beschäftigt, na ja und an der Muskhoichschule da hieß es dann immer: der kann doch nicht instrumentieren, der könnte nie eine gute Fuge schreiben, hast Du gesehen wie der dirigiert? Ich fand das richtig bedrückend! Selbst ein so großer Komponist wie Schostakowitsch schimpft im dem Buch "Zeugenaussage" immer über Prokofiew, behautet, der könne nicht instrumentieren etc.


    Aber Quasthoff hat es geschaft, er ist heute der beste deutsche Bariton seit Fischer-Dieskau - und das will was heißen!

  • Hi Iris -
    danke für den Link. Das ist *mein* Thema. :D


    Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    Neid und Mißgunst sind unter Künstlern wirklich verbreiteter als - sagen wir - unter Steuerberatern.


    Das macht mich fürchten, ohne dass ich es möchte. :schwitz Ich bin nämlich Perfektionistin, ohne perfekt zu sein, vor allem in der Musik. Und dadurch fühle ich mich irgendwie angreifbar. *g* "Haken Sie unberechtigte, übertriebene oder verletzende Kritik einfach ab." - Ich finde das nicht ganz einfach.

    Frau: "Warum müssen Frauen immer still sein?"
    Mann: "Weil sie dann länger schön bleiben."
    (Der Hexer, 1964)