Was tun mit der fast vergessenen Nebenfigur?

  • Hallo zusammen,


    was tun mit der fast vergessenen Nebenfigur?
    Ich habe da einen Protagonisten gleich zu Anfang in Szene gesetzt, der ein bisschen Text und ein paar Auftritte hatte. Als dann aber nach und nach die Hauptfiguren in den Plot gesprungen sind, wurde diese Nebenfigur (deren Name mir spontan nicht mal einfällt - aber ich habe sein Bild deutlich vor Augen!) nach ein paar sporadischen Auftritten völlig aus dem Roman gedrängt.


    Wie also umgehen mit dem Typen?
    Kann ich ihn tatsächlich so nach und nach ins Abseits geraten lassen (schließlich hat er ja echt nix mehr zu tun)? Darf man das oder läuft sowas gegen die Autoren-Fürsorgepflicht und ich habe bald die Nebenfigur-Gewerkschaft auf dem Hals?


    Wie geht ihr mit sowas um? Hattet ihr schon solche Figuren, die ihr entweder vergessen habt im Laufe der Geschichte oder die eben gewollt einfach irgendwann raus waren?


    Bitte Input.


    Gruss,


    Bernd

    "Der erfolgreiche Abschluss infamer Aktionen steigert Ihren Bekanntheitsgrad, was für Ihren Feldzug zur absoluten Weltherrschaft unglaublich wichtig ist." (aus dem Benutzerhandbuch des PC-Spiels Evil Genius)

  • Huhu, Bernd.


    Vorweg: Eine Nebenfigur ist kein Protagonist. Ein Protagonist ist "ein Vorkämpfer", die Hauptfigur, die die positive Seite besetzt (sofern vorhanden). Eine Nebenfigur ist eine Nebenfigur. Der Gegenspieler des Protagonisten ist der Antagonist (sofern vorhanden).


    So, nu haste den Typen vergessen. Zwei Fragen: War er wichtig für den Teil, in dem er auftrat? Ergänzungsfrage: Würde etwas fehlen, wenn die Rolle plötzlich gestrichen würde? Zweite Ergänzungsfrage: Ließe sich das umschreiben? Dritte Ergänzungsfrage: Hat man (als Leser) das Gefühl, der Typ ist eingeführt worden (wie?), um später noch irgendwie wichtig zu sein? Frage zwei (endlich): Was spricht dagegen, ihm gen Ende noch einen überraschenden Gastauftritt zu gönnen? Ergänzungsfrage 2.1: Gab es ein persönliches Verhältnis zwischen dieser Nebenfigur und dem "echten" Protagonisten?


    Wenn Nebenfiguren auftreten, die nach einer Szene(nfolge) ihre Schuldigkeit getan haben, dann ist es okay, sie später wegzulassen. Je nach Plot können auch unmotiviert auftauchende/verschwindende Nebenfiguren Sinn machen. Läßt sich alles nicht so pauschal ohne Textprobe beantworten.

  • Zitat

    Original von Tom
    Ein Protagonist ist "ein Vorkämpfer", die Hauptfigur, die die positive Seite besetzt (sofern vorhanden).


    Egal woher das stammt -- es ist falsch! :D


    Protagonist ist theatertechnisch (und -wissenschaftlich) der "Erste Akteur", der Hauptdarsteller (Engl. "leading man") und sonst gar nix. Der Begriff umschreibt die Rolle des wichtigsten Schauspielers, den Träger der Handlung.
    Antagonist beschreibt den Gegenpart. Das muß nicht zwingend ein feindseliges Verhältnis sein, wichtig ist nur, daß die beiden miteinander interagieren, weil sie dieselben, konkurrierende oder einander widersprechende Ziele haben.
    Es gibt durchaus Handlungen mit zwei gleichwertigen Protagonisten, die einander Antagonist sind. Und es gibt durchaus Handlungen, die ohne einen "echten" Antagonisten auskommen.


    Zurück zur Frage:
    Da ein Romananfang, also die Exposition einer Handlung, eine (wie der Name schon sagt) sehr exponierte Stelle im Text ist, solltest du dir überlegen, diese bei der Überarbeitung entweder anders zu gestalten oder die Figur gelegentlich wieder einzuflechten und ihr einen entscheidenden Auftritt zu schenken.


    Nur keine Panik! Einen endgültigen Romananfang schreibt man erfahrungsgemäß ohnehin am besten erst zu einem Zeitpunkt, an dem man weiß wie die ganze Geschichte läuft.

  • Zitat

    Egal woher das stammt -- es ist falsch!


    Es ist richtig, wenn mit dem dramatischen Konzept Protagonist vs. Antagonist gearbeitet wird, ansonsten ist er, ganz richtig, im weitesten Sinne die "Hauptfigur" (kann auch mehrere geben). Aber nicht jede handelnde Figur ist ein Protagonist.


    Wahrig:


    1. altgriech. Theater: Erster Schauspieler, 2. übertr.: Vorkämpfer

  • Alter Rechthaber! =)


    Wer von uns beiden hat noch mal diesesZeug studiert?
    'Tschuldige, ich vergaß: Im Studium lernt man ja nur überflüssiges und falsches Zeug! :rofl

  • Ich habe ja Ehrfurcht vor diesem Studierzeug. :)


    Jedenfalls ist eine Nebenfigur kein verdammter Protagonist. Und wir Nichtgermanistiker wissen halt nur soviel, wie irgendwelche Autoren in irgendwelchen Autorenforen schreiben - oder was Wikipedia sagt:


    1. In der griechischen Tragödie und in der Literatur v. a. die dargestellte Hauptperson (in den griechischen Theaterstücken der Antike waren die Protagonisten nur Männer, da die Frauen wie auch in der Politik kein Recht hatten sich einzusetzen, heutzutage oft auch weiblich, als Protagonistin) bezeichnet, weniger den Hauptdarsteller (vor Deuter- und Tritagonist)
    2. Im modernen Sinne Vorkämpfer (für eine Idee, eine Bewegung) oder Hauptperson.
    3. Im Psychodrama nach Jakob Levy Moreno die Hauptperson (der hauptsächlich Handelnde) des psychodramatischen Spiels


    Wenn ein Antagonist auftritt, eine Figur, deren Wirken nicht vollendet werden kann, solange der Protagonist seine Ziele verfolgt (und umgekehrt), wird dadurch üblicherweise das Konzept Gut vs. Böse wiedergegeben. (Meine Worte.)


    Ich weiß, es ist rechtlich bedenklich, diese Texte zu zitieren, aber ich sitze gerne im entsprechenden Prozeß auf der Anklagebank.

  • Zitat

    Original von Bernd
    Hallo zusammen,
    was tun mit der fast vergessenen Nebenfigur?
    Gruss, Bernd


    Könntest Du diese Figur nicht töten? :blume Z.B. durch einen Unfall, ahm einen spektakulären Unfall. Die Figur könnte mit dem Rad an einer Schreinerei vorbeifahren, es ist rutschig, eine Kreissäge läuft im offenen Hof und ...


    Ich kennen Romane, in denen Sex und Gewalt, obwohl durch den Plot nicht motiviert, sehr viel zum Lesegenuss beitragen. Es soll Leute geben, die Romane in Bahnhofsbuchhandlungen durchblättern - einzig auf der Suche nach solchen Stellen.

  • Andererseits... ist es im "echten" Leben nicht auch oft so: Aus den Augen, aus dem Sinn? ;)


    Wenn die Figur eine Rolle spielt, kann man sie ja vielleicht später noch mal agieren lassen. Und wenn sie gänzlich unwichtig ist, kann man sie vielleicht komplett weglassen (also entweder rausstreichen oder ihren Part auf eine andere Person übertragen)?


    Andererseits: MUSS eine Figur denn zwangsläufig Teil der gesamten Romanhandlung sein, nur weil sie zu Beginn einmal eine Rolle hatte? Ist das dramaturgisch denn zwingend notwendig, diese Person noch einmal auftauchen zu lassen? Oder andersherum gefragt: müßte es dann nicht umgekehrt sein, jede Rolle, die ihren Handlungspart gespielt hat, umzieheh, in Urlaub fahren oder sterben zu lassen? Neeee, oder?


    Wichtig ist doch in diesem Zusammenhang nur, daß diese Figur keine offenen Fragen hinterläßt, oder?

  • Zitat

    Original von Tom
    War er wichtig für den Teil, in dem er auftrat? Ergänzungsfrage: Würde etwas fehlen, wenn die Rolle plötzlich gestrichen würde? Zweite Ergänzungsfrage: Ließe sich das umschreiben? Dritte Ergänzungsfrage: Hat man (als Leser) das Gefühl, der Typ ist eingeführt worden (wie?), um später noch irgendwie wichtig zu sein?


    zu 1:
    Er hat einem der Protagonisten den Einstieg in die Story erleichtert.


    zu 1.1:
    Ja, es würde etwas fehlen, da diese Nebenfigur einige Dialoge geführt hat, die dem Leser einige Hinweise geben.


    zu 1.2:
    Hmm...schwer zu sagen. Wenn, dann wahrscheinlich schwierig. Wäre aber auch unklug, da die Szenen mit dieser Nebenfigur passen und stimmig sind.


    zu 1.3:
    Hmmmm, das kann ich als Autor nicht so gut beurteilen, wie der Leser, der ja in dem Moment weniger weiß als ich. Die Figur hat ihren Part erfüllt, könnte allerdings beim Leser zumindest am Ende so ein Gefühl hinterlassen von "Moment mal, und was ist mit dem noch passiert?". Könnte, wohlgemerkt, sicher bin ich mir da nicht.


    Zitat


    Frage zwei (endlich): Was spricht dagegen, ihm gen Ende noch einen überraschenden Gastauftritt zu gönnen? Ergänzungsfrage 2.1: Gab es ein persönliches Verhältnis zwischen dieser Nebenfigur und dem "echten" Protagonisten?


    zu 2:
    Die Storyentwicklung spricht dagegen. Ich will das Ende weit ab von dieser Nebenfigur stattfinden lassen. Das käme mir also irgendwie an den Haaren herbeigezogen vor.


    zu 2.1:
    Zum allerechtesten Superduper-Protagonisten hat die Nebenfigur gar keine Beziehung, allerdings zu einigen anderen Hauptfiguren, mit denen er aber aller Wahrscheinlichkeit keinerlei Berührungspunkte mehr im weiteren Verlauf haben wird.


    @TJW
    Töten? Spektakulär?
    Gerne, aber der Kerl hat mir keinen Grund für sowas gegeben. ;)



    Gruss,


    Bernd

    "Der erfolgreiche Abschluss infamer Aktionen steigert Ihren Bekanntheitsgrad, was für Ihren Feldzug zur absoluten Weltherrschaft unglaublich wichtig ist." (aus dem Benutzerhandbuch des PC-Spiels Evil Genius)

    Einmal editiert, zuletzt von Bernd ()

  • hallo bernd,


    ich würde die nebenfigur nutzen für ein retardierendes moment (oder heißt es "einen"?). also, wenn die spannung am größten ist, erlebt die nebenfigur noch eine nette episode, die nur lose mit der haupthandlung zu tun hat.


    hier müsste weder die hauptfigur sterben noch der teil weggelassen werden, in dem die nebenfigur entsteht.


    ciao,
    michael

  • ich kann die fragen im augenblick nur als konsumentin beantworten.


    erstmal ist es ein unterschied, ob eine figur vergessen wird oder unwichtig wird und darum keine rolle mehr spielt. wenn sie vergessen wird, ist das nicht gut. sowohl in büchern als auch in filmen lösen sich nebenfiguren manchmal unversehens in luft auf; ich finde das schade, denn jede figur hat, finde ich, ein "recht" auf einen platz in der geschichte, der ihr irgendwie "zusteht". [an die nebenfigur-gewerkschaft hatte ich noch gar nicht gedacht. :D ] und was fürn platz das ist, kann der/die schreibende meist selbst erspüren. (neulich hab ich diesen todöden kingkongfilm geguckt und der schiffsjunge verschwand ohne abschied aus dem film. fand ich doof. aber der film war eh doof. *g*)


    also kurz gesagt, bernd, versuch doch zu erspüren, ob du der figur noch ein bisschen raum geben solltest. wenn sie tatsächlich nix mehr beizutragen hat, ist es vielleicht auch nicht schlimm, wenn sie nix mehr meldet ...

    Frau: "Warum müssen Frauen immer still sein?"
    Mann: "Weil sie dann länger schön bleiben."
    (Der Hexer, 1964)

  • ich schliesse mich - ebenfalls aus konsumentensicht - berit an.


    (TWJs vorschlag ist sicher der originellste, aber vielleicht passt die von michael vorgeschlagene nette episode doch besser.
    oder erst michaels nette episode und dann die säge?
    ich muss schliessen, meine phantasie entzündet sich sonst :rofl)

  • vermutlich:-)
    und die resultate sind meist gar fürchterbar albern.
    also gedenke ich der guten vorsätze zum neuen jahr und setze meine heutige wanderung durch die weiten des www fort.
    *wink*