Petra Oelker - Tod am Zollhaus

  • ASIN/ISBN: 3499265419


    Ich bin etwa halb durch und absolut begeistert. Es ist ein historischer Krimi, spielt in Hamburg im 18. Jhdt., die Protagonistin ist eine Schauspielerin, die mit einer Wandertruppe durch Deutschland reist - und es ist ohne Übertreibung sauspannend!
    Gut geschrieben, alle nötigen Informationen zu Zeit und Menschen ohne jeden Infodump - bis hierher sehr empfehlenswert.

  • Hallo, Susanne!


    Habe das Buch vor drei Jahre gelesen, und mir hat es nicht besonders gefallen. Sorry, dass ich das einfach so in Deine Begeisterung hinein"rufe". Ich mache mir immer kurze Notizen, wenn ich ein Buch durchgelesen habe, deshalb kann ich meine Enttäuschung auch nach all der Zeit noch begründen. Ich fand die Figuren zu platt, gar viel zu modern für die Zeit, wie alle wichtigen Frauenfiguren, nur als Beispiel: Anne, die ach so selbstständig die Geschäfte leitet; Rosina, die Komödiantin, die sich als Mann verkleidet und dann so fortschrittlich daher argumentiert (außerdem hat das Verkleiden dieser Art ja soooooooooooooooo einen Bart). Nicht gefallen hat mir auch das zu dick aufgetragene "zeitliche Lokalkolorit" (keine Ahnung, wie der Fachausdruck nu wieder heißt): die Liste der Leute am Ende, Telemanns Auftritt, am schlimmsten fand ich, dass gar Mozart noch ein selbstkomponiertes Stückchen vorspielen musste.


    Insgesamt kam das alles für mich nicht sehr überzeugend herüber und wirklich spannend fand ich's auch nicht. Ich war im Prinzip sehr enttäuscht, weil ich mich gerade so gefreut hatte über die Tatsache, einen historischen Krimi aus Hamburg lesen zu können.


    Naja, Dir jedenfalls noch viel Spaß beim Weiterlesen! :achsel Ich hoffe, Du nimmst mir meine Anmerkungen nicht krumm.


    Grüße,
    Karen

  • Zitat

    Original von Karen
    Habe das Buch vor drei Jahre gelesen, und mir hat es nicht besonders gefallen. Sorry, dass ich das einfach so in Deine Begeisterung hinein"rufe". [...] Ich hoffe, Du nimmst mir meine Anmerkungen nicht krumm.


    Grüße,
    Karen


    Na, na, das ist doch kein Grund, sich zu entschuldigen. Die Meinungen über Bücher sind, waren, werden geteilt sein. Und nützt ja nur allen hier, wenn das dann auch gesagt wird.


    Übrigens "selbstbewußte Frauen in der Geschichte": Das ist sehr, sehr beliebt, wird von Lektoren gerne gefordert (die Leser sind schließlich auch ..., die wollen das so).


    Wirkt oft sehr komisch für den, der sich auskennt. All die modernen Frauen mit ihren modernen Meinungen in alten Kostümen. Aber waren alle Frauen früher verhuscht, unselbstständig?


    Da wird auch gerne das 19. Jrhd. als ganze Vergangenheit genommen. Natürlich gab es selbstbewußte Frauen, aber natürlich schauten die ganz anders aus als heute, und haben vor allem anders geredet. Manches, was damals als Aufruf zum Frauenrevolte geklungen hätte, hat heute seine Wirkung verloren. Linksradikale haben sich 1400 ja auch nicht auf die proletarische Revolution berufen, sondern auf Franz von Assissi. Gegeben hat es sie aber zweifelsohne.


    Wie beschreibt man die Gedanken von Menschen, die in Worten, Sätzen gedacht haben, die eine ganz andere Bedeutung, vor allem eine ganz andere Bedeutung "hinter dem Wort" gehabt haben? Wörtliches Zitieren würde nichts bringen, heutige Menschen würden das, was dahintersteht, oft nicht begreifen.


    Also muss man "türken". So schreiben, dass es fremd und doch vertraut klingt. So, dass man nicht einfach moderne Worte in ein altes Kostüm steckt, aber doch so, dass es für heutige Menschen verständlich wird. Schwierige Aufgabe ...


    Hans Peter

  • Zitat

    Original von hpr
    Schwierige Aufgabe ...


    Absolut. Man muß sich in der Zeit, in der der Roman spielt, wirklich sehr gut auskennen, um ein nicht anachronistisches Denken und Fühlen, Reden und Handeln zu vermitteln. Daten, Detailinfos aus der Sachkultur und ein altertümlicher Stil reichen einfach nicht.

  • Hi Karen,


    nix da "Sorry" *g* Ich sag auch immer, wenn mir ein begeistert empfohlenes Buch nicht so doll gefällt - Geschmäcker sind verschieden, und das ist gut so. Sonst gäbe es nur Thomas-Mann-Leser und ich könnte mir eine andere Beschäftigung suchen ...


    Aber eine kleine Anmerkung zu deiner Anmerkung hab ich doch:


    Zitat

    Original von Karen
    begründen. Ich fand die Figuren zu platt, gar viel zu modern für die Zeit, wie alle wichtigen Frauenfiguren, nur als Beispiel: Anne, die ach so selbstständig die Geschäfte leitet; Rosina, die Komödiantin, die sich als Mann verkleidet und dann so fortschrittlich daher argumentiert


    Wenn ich mir Mozarts (bzw. da Pontes) Frauen ansehe - um mal halbwegs in der Zeit zu bleiben - kann ich nur sagen: passt scho. 8)
    Wer sagt denn bitte, dass damals alle Frauen verschüchterte, mundtote und unselbständige Heimchen am Herd waren? So jemand wie die Neuberin wäre kaum denkbar gewesen, oder?
    Es ist sicher nicht unser Jahrhundert, das die Emanzipation erfunden hat. Manchmal denke ich sogar: janz im Jejenteil, wenn ich mir den herrschenden Backlash ansehe.
    Aber das ist wieder eine völlig andere Geschichte ...


    Ich hab das Buch gestern ausgelesen und bin immer noch begeistert. Sogar von dem Mozart-Auftritt am Ende. Inklusive der Anspielung auf die Nozze-Gräfin. Aber ich mag so was einfach gerne und kann mir trotzdem vorstellen, dass es jemand anderen stört.


    LG und schönen Sonntag


    Susanne

  • Zitat

    Original von Gerdom
    Wer sagt denn bitte, dass damals alle Frauen verschüchterte, mundtote und unselbständige Heimchen am Herd waren? So jemand wie die Neuberin wäre kaum denkbar gewesen, oder?
    Es ist sicher nicht unser Jahrhundert, das die Emanzipation erfunden hat. Manchmal denke ich sogar: janz im Jejenteil, wenn ich mir den herrschenden Backlash ansehe.


    Da stimme ich dir vollkommen zu. Tiefpunkte waren sicher das 17. und 19. Jahrhundert.

  • Huhu!


    Was "emanzipierte Frauen" früher Jahrhunderte angeht, gebe ich Euch völlig Recht. Klar gab's die - zum Glück, und auch ich bin ein Fan von vielen (nicht allen). Nun habe ich natürlich den Nachteil, dass ich das Buch eben schon vor drei Jahren gelesen habe. Aber mir kamen damals all diese "emanzipierten" Frauen doch reichlich zu modern vor, vor allem deshalb, weil im Prinzip jede wichtige Frau, die da vorkam, auf dieselbe Weise emanzipiert war. Es gibt auch subtilere Methoden, sich durchzusetzen. Das haben wiederum andere Frauen, auch gerade noch in der Generation unserer Großmütter gezeigt. Klar, ich selbst kann mir auch nicht vorstellen, dass ich damals anders gewesen wäre - oder sagen wir, anders gedacht hätte. Aber ich denke, die "normale" Frau in der Gesellschaft hätte das doch besser versteckt und eben subtiler gewirkt. Hier in diesem Roman fand ich es einfach überzogen und unglaubwürdig.


    Ansonsten gebe ich Euch völlig Recht, natürlich gibt es unterschiedliche Geschmäcker! Wie Susanne sagt, zum GLück.


    Andererseits hat Hans Peter natürlich einen Punkt: Wie stelle ich eine emanzipierte Frau dar, ohne anachronistisch zu klingen? Sehr schwer, bestimmt. Ich weiß auch nicht, ob ich mich daran trauen würde. Bestimmt gab es einige, die eben so gedacht haben und auch noch einige wenige, die danach gehandelt haben. Naja, siehe oben.


    Übrigens, ganz am Rande, sozusagen zur Verteidigung meiner "Emanzen"-Ehre (obwohl ich mich nicht als solche bezeichnen würde, weil ich Gleichberechtigung für etwas Natürliches halte... aber das ist ein anderes Thema): Mich hat es früher, als ich liebend gerne Western geschaut habe, immer genervt, wenn's darum ging, wer bekommt die Frau, und dann haben sich zwei Typen um sie geschlagen. Für mich wäre die selbstverständliche Konsequenz sofort gewesen: Davon kann's keiner sein :colts =). Also, so auch nicht. Mir kann man's halt nur schwer Recht machen :evil


    Grüße,
    Karen

  • «Ich muss mich doch wirklich darüber sehr wundern, wie unsere Weiber jetzt, auf bloß dilettantischem Wege, eine gewisse Schreibgeschicklichkeit sich zu verfassen wissen, die der Kunst nahe kommt.»


    Schiller am 30. Juni 1787 an Goethe

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Gerdom
    Die beiden Machos, echt ... :D


    Wieso? Wir wissen doch alle, dass zu echtem Genie Begabung gehört und das kann man nicht lernen (MRR). Aber gewisse papageienhafte Nachahmung ist natürlich auch Frauen möglich. Das ist nun mal so, das hat überhaupt nicht mit Macho zu tun


    lachende Grüße


    Hans Peter


    PS: Auch dieser Text ist *nicht* ernst gemeint

  • Zitat

    Original von hpr


    Wieso? Wir wissen doch alle, dass zu echtem Genie Begabung gehört und das kann man nicht lernen (MRR). Aber gewisse papageienhafte Nachahmung ist natürlich auch Frauen möglich. Das ist nun mal so, das hat überhaupt nicht mit Macho zu tun


    Gut, ich korrigiere: ihr drei Machos, echt! :P


    Susanne

  • Zitat

    Original von Gerdom
    Gut, ich korrigiere: ihr drei Machos, echt! :P


    Susanne


    Uii, jetzt sitze ich mit Schiller und Goethe in einem Boot?


    stolzBrustBläh


    Hans Peter


  • Hihi,


    klar, und ich wäre der 4. (mal abgesehen von Schillers und Goethes Namen), wenn ich denn bloß - verdammt noch mal - ein Männe geowrden wäre, wie ich mir das gewünscht hätte!


    Grüße,
    Karen


    P.S.: Susanne, ich habe deshalb Sorry gesagt, weil ich es selbst lästig finde, wenn mir jemand anders Bücher, die ich gut finde, schlecht redet. Aber schön, dass es Dir trotzdem gefallen hat!