Cover überleben?

  • Gibt es den Tatbestand der seelischen Grausamkeiten gegen Autoren?
    Ich bin grade vollkommen fertig... :trage
    wie geht ihr mit absolut daneben geratenen Covers um? Wie überlebt man das?
    Meine Lektorin und ich rennen seit Wochen vergeblich dem neuen Cover hinterher, seit heute weiß ich, wieso uns das keiner zeigte. Es ist eine Katastrophe (ich bin in der Hinsicht sonst SEHR tolerant). Es ist eins von der Sorte, wo ich die Bände, die ich verschenke, in Papier einschlagen möchte. Ich werde mich schämen, wenn ich es in der Buchhandlung sehe. Ich weiß nicht, was ich den armen Lesern sagen soll, die immer meinen, Cover würden von Autoren gemacht.
    Leute, die dieses Cover gut finden, werden mein Buch hassen. Leute, die meine Bücher gerne lesen würden, werden dieses Cover nicht mit Handschuhen anfassen.


    Eine aufgebretzelte Blondine in ziemlich mäßiger Bekleidung räkelt sich auf Steinen am Meer - und zwar so, dass man eigentlich einen Edelporno erwarten könnte...
    Der erste Entwurf war noch erträglich, aber den fanden die Vertreter zu trist.


    Im Moment versuche ich es mit Übersprunghandlungen. Hab mir im Dorfladen das neueste Supertaschenbuch Donald Duck gekauft - DAS sind Cover :clown
    Und überlege jetzt eine Werbeaktion... Verlosung von Buch plus undurchsichtigem Schutzumschlag...
    Und jetzt muss ich wieder ran an das Werk. Heute, zehn Tage vor Abgabe, erfahre ich, dass es zwei Monate früher fertig werden muss.
    Irre, wie schnell man seine Illusionen über Verlage und Buchmarkt verlieren kann. In fünf Minuten.


    Danke fürs Zuhören ;(
    Petra :uebel

  • Hiho Petra,


    ich kann dich nur zu gut verstehen ... :dumm
    Mir ging es bei meinem Erstling genauso wie du es gerade schilderst: Ich habe das Cover endlich zu sehen bekommen - und war nahe daran, meine Tastatur zu fressen :bonk Zum Glück war ich zu sehr damit beschäftigt, abwechselnd in hysterische Lachkrämpfe auszubrechen und alle möglichen Leute anzurufen, um ihnen mein Leid zu klagen. :heul:uebel:wut
    Genau der gleiche Fall - es war zwar alles drauf, was ich als "ungefähre Vorstellung" angegeben hatte (Landschaft, vielleicht im Hintergrund eine Burg, vorne ein einzelner Reiter ...), aber komplett anders, als es gedacht war.
    Alex W sagte damals tröstend, mein Cover sei etwas für die 18jährigen Rollenspieljunkies, der Inhalt für Frauen ab 25 :hmm


    Viele Grüße :wink1
    Heike


    PS: Beim Zweiten war ich dann wieder versöhnt ... :)


    ASIN/ISBN: 3890645917

  • Ach Leute, ihr seid klasse. Pearl, du meinst also, die hätten auch das winzige Kleidchen noch weglassen können und ich hab noch Glück gehabt?
    Ich bin normalerweise ja nicht so. Autoren sind die letzten, die Ahnung von Covergestaltung und Marketing haben. Aber wenn man ein Jahr predigt, in welche Schubladen man nicht hineinschreiben will und dann kommt eine unten drunter... :colts
    Ein Kollege hat mich vorhin gefragt, ob ich in die Erotikreihe bei Bastei reingerutscht sei :attn


    >Zum Glück war ich zu sehr damit beschäftigt, abwechselnd in hysterische Lachkrämpfe auszubrechen und alle möglichen Leute anzurufen, um ihnen mein Leid zu klagen


    Kommt mir SEHR bekannt vor.
    Derzeit tröste ich mich, dass der erste Entwurf der Grafikerin zwar wunderbar war, aber mein Name falsch geschrieben.
    Alex, ich will auch nen Mann auf dem Cover haben.
    Schöne Grüße,
    Petra

  • Ich sage in Interviews immer, dass ich mich energisch vom Cover distanziere.


    Mitsprache beim Cover zaehlt fuer mich ohnehin zur Verhandlungsmasse - ich veroeffentliche lieber in einem kleinen Verlag (FAnpro), der mich ernst nimmt und auch Wünsche wie "Die Freundin von mir soll das Cover machen" akzeptiert, als ein Verlag wie Heyne, von denen man nicht einmal ernst genommen wird.


    Aber, viola, mein Beileid. Es wird leider nie wirklich deutlich weniger schrecklich. Abstumpfen ist in dem Biz leider nicht.

  • Zitat

    Original von viola
    Alex, ich will auch nen Mann auf dem Cover haben.


    Sei vorsichtig... Wünsche können in Erfüllung gehen und am Ende hat Dein leichtbekleidetes Mädchen auch noch einen Mann hinter sich stehen, der sie zärtlich in den Nacken beißt (völlig wurscht, ob das nun zum Inhalt passt oder nicht...)!


    =)

  • :knuddel1 Da muss man durch ...
    Ich war mit dem Cover für Ellorans Traum auch reichlich unzufrieden, aber wat willste machen ... Man kann ja schon dankbar sein, wenn sie einem nicht auch noch einen oberbescheuerten Titel aufs Auge drücken. :rolleyes
    (Blöd ist nur, dass die Leser glauben, man hätte da irgendeinen Einfluss drauf.)
    Die Idee mit dem Schutzumschlag finde ich aber super ;)


    Liebe Grüße


    Susanne

  • o Viola, wie gut kann ich dies verstehen! Bei meinem Erstling ging es mir genau so. Der Hausgrafiker wollte unbedingt seine abstrusen Vorstellungen verwirklichen und hat sie auch durchgesetzt. Es war grauenvoll.
    Jetzt, beim Herzfresser, hatte ich die Möglichkeit, dass Cover selbst zu machen. Aber- nachdem ich deine Mail las- denke ich nun mit Schrecken an die kommenden Entwürfe zum nächsten Buch- das in einem anderen Verlag erscheint und wo ich keinen Einfluss auf die Gestaltung habe.
    Ich bete schon mal laut vor mich hin...
    Das soll manchmal helfen.


    Vielleicht kannst du eines Tages über deine räkelnde Blondine lachen...


    Viele Grüße, Monika

  • Liebe Petra, du hast mein tiefes Mitgefühl!!! Ich weiß genau, wovon du sprichst. Ich bin da selbst mal durch, habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, dann unverhoffterweise Recht bekommen :wow -- und behalten!!!


    Da ich einen historischen Roman geschrieben hatte, in dem Römer und Germanen vorkamen, rechnete ich vor dem ersten wirklich mit allen Abstrusitäten, die man historischen Romane nur antun kann: klassizistischem Römerschmus à la Jacques-Louis David und germanentümelnden Zigarettenbildchen, Präraffaelitenschlampen à la Alma Tadema oder gar Jean-Léon Gérôme. :kotz


    Der erste Entwurf sah folgendermaßen aus:

    (Link zu Vergrößerung)


    Offen gestanden war ich mehr als angenehm überrascht -- das Ding war graphisch klar strukturiert, ungewöhnlich und damit unverwechselbar, ein Hingucker, auf weite Entfernung lesbar, weit entfernt von dem historischen Einheitsscheiß, der sowohl Schmonzes als auch Solitäre gleichermaßen verunziert. Kurz: Ich war extrem zufrieden mit der Arbeit der beauftragten Grafikerin!


    Dann hieß es, den Vertretern sei es zu trist (!)*, eine neue Werbeagentur wurde mit einem Entwurf beauftragt, und dann wurde bestimmt, daß folgendes "Motiv" das Buch zieren solle:

    (Link zu Vergrößerung)


    Mein Agent sollte mir das beibiegen, aber der hat sich geweigert angesichts dieses "Sockens" auch noch den Überbringer schlechter Nachrichten zu machen, hat sich dann allerdings doch dazwischengeschaltet. Daß ich völlig ausgerastet bin über diesen Müll, könnt ihr euch denken. Wenn 's wenigstens eine Präraffaelitenschlampe gewesen wäre, also ein Hingucker -- aber nein! Ein Nichts von einem Unmotiv, farblich eintönig, schwer lesbar, absolut kein Hingucker und deshalb der programmierte Mißerfolg! Welcher Praktikant welcher gottvergessenen Design-FH produziert solchen Schwachsinn??? :bonk
    (Wobei die Herrschaften nebenbei bemerkt auch nur CD-ROMs mit hunderten von Bildern abarbeiten anstatt selbst kreativ zu sein! X(


    Wir haben es tatsächlich geschafft, den Verlag von diesem grotesken Müll abzubringen und das ursprüngliche Cover in leicht abgewandelter Form (allerdings dann aufgrund des geringen Farbunterschiedes zwischen Hintergrund und Schrift auf Entfernung schlechter lesbar) durchzusetzen.


    Petra, versuche es. Ich weiß, daß Lübbe möglicherweise schwierig ist, aber kümmere dich mal um Kontakte zu den Vertretern, zu Marketing- und Vertriebsabteilung. Lektoren sind im Machtgefüge von Verlagen extrem benachteiligt. Deshalb sind Kontakte in andere Abteilungen, auf deren Meinung die Entscheider mehr geben, äußerst wichtig und nützlich.


    Und wenn du diese Räkeltussi noch irgendwie verhindern kannst, dann setze gemeinsam mit deinem Agenten Himmel und Hölle in Bewegung! Auch wenn du danach als schwierig giltst. Aber ein verkaufstechnischer Mißerfolg bleibt nie am Cover oder anderen verlagsseitigen Entscheidungen hängen, sondern immer und ausschließlich am Autor. Also wehr dich!



    Ich weiß, was ich der Grafikerin verdanke, die "meine" Cover bislang macht. Sooft ich die Bücher irgendwo stehen sehe, liege ich ihr von neuem zerhackt zu Füßen und bete zu Gott, daß der Verlag beim dritten Band nicht aus dem grafischen Konzept ausschert ... Aber garantieren kann mir das keiner. Also muß ich ggf. kämpfen.



    ---------------------------------------------------------------------
    *) Inzwischen kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Vertretern solche Äußerungen in die Schuhe geschoben werden, und man letztendlich nicht erfährt welche Vollidioten maßgeblich verantwortlich sind, daß grottige Cover auf den Markt geraten, die vollmundig als "Knaller" gepriesen werden, aber in Wirklichkeit den Ergfolg eines Buches zunichte machen! Meine Vermutung geht eher dahin, daß hier Nepotismus am Werk ist: Jemand in entscheidender Position will, daß bei der Auftragsvergabe vor allem die Werbeagentur seines Tennispartners berücksichtigt wird; wie der Müll aussieht, ist dabei völlig egal. Warum sollte es in Verlagen anders zugehen als in der Autoindustrie oder in der "gehobenen" Hotellerie und vielen anderen Wirttschaftsbereichen, wo das Management zwar bestimmt, aber nicht die Konsequenzen seines Treibens tragen muß?)

  • Hallo Petra,


    es zeigt sich immer wieder - die Welt ist nicht nur ungerecht, sondern viel zu häufig auch geschmacklos ...
    Ich schließe mich Iris an; wenn es auch die kleinste Möglichkeit gibt, noch etwas zu verhindern, kämpfe dafür.


    Liebe Grüße
    Marcel

  • Ihr macht mir Mut.
    Wie ich schon sagte, ein Cover muss ich nicht selbst machen und ich ertrage einiges. Leider geht es diesmal auch um Platzierungsfragen, weil ich Genres breche. Meine Romane laufen zwar in der Schublade "Frauenroman", vergraulen aber dessen typisches Publikum, brauchen ein anderes. Deshalb ist es besonders wichtig, keine falschen Erwartungen mit dem Cover zu wecken. Schon beim Klappentext ist es eine Gratwanderung.


    Ich vermute übrigens Mechanismen wie in deiner fast unlesbaren Fußnote, Iris...


    Ihr könnt euch sicher sein, dass mein Agent und meine Lektorin (die leider lange wegen Krankheit ausgefallen war) am Montag die Krallen zeigen werden... nur ist der Katalog wohl schon im Druck. Ich habe noch einmal Argumente formuliert. Angeblich waren es auch die Vertreter, die unseren Titel doch noch mal kippen wollten (jetzt kann ich es sagen, das Buch heißt "Lavendelblues".) Ich hab halt leider keine Zeit mehr, Leute kennen zu lernen, die die ich im Februar kennenlernte, sind schon nicht mehr im Verlag... so schnelllebig ist das.


    Allerdings habe ich gelernt. Meinen dritten Roman werde ich radikaler entwerfen. Nichts mehr mit Muss-Happy-End und Muss-Liebesgeschichte, nur weil es die Genreschublade verlangt.


    Übrigens noch ein Schmankerl: Auf dem Cover ist ganz leicht Text aus meinem Buch in Schreibschrift gesetzt. Da ist sehr betont die Rede von roten Haaren, weil das meine Hauptfigur sehr stark charakterisiert. Dazu passt die Blondine besonders gut. Als Käufer käme ich mir damit veräppelt vor.


    Grade im Hinblick auf Marcels Posting frage ich mich: Sind die Leser eigentlich wirklich so anspruchslos und fast schon debil, wie es einem die Publikums-Verlage glauben machen?


    Schöne Grüße,
    Petra


    Buchinhalt in meinem Blog!

  • Zitat

    Original von viola
    Sind die Leser eigentlich wirklich so anspruchslos und fast schon debil, wie es einem die Publikums-Verlage glauben machen?


    NEIN!
    Allerdings sind in solchen Konzernen so manche Entscheider davon überzeugt, daß der Endkunde nicht König, sondern Volldepp ist -- und ich bin der Überzeugung, daß es genau diese Mentalität ist, die zu stagnierenden Absatzzahlen führt.


    Lies nach bei Nicolas Hayek: [URL=http://www.manager-magazin.de/mmtv/interview/0,2828,364387,00.html]»Wir müssen erklären, was wir tun!«[/URL] (mm 1.8.2004)

  • da ich nur bei einem kleineren verlag veröffentliche, werde ich immer um meine meinung und zustimmung gefragt und konnte mich bisher eigentlich auch immer durchsetzen. doch bei meinem neuesten konnte ich nur die schlimmste auswüchse verhindern, aber da mein buch in eine bestimmte reihe gehört, muss ich die entschärfte version akzeptieren.
    herby

  • Zitat

    Original von Iris
    daß Vertretern solche Äußerungen in die Schuhe geschoben werden, und man letztendlich nicht erfährt welche Vollidioten maßgeblich verantwortlich sind, daß grottige Cover auf den Markt geraten, die vollmundig als "Knaller" gepriesen werden, aber in Wirklichkeit den Ergfolg eines Buches zunichte machen



    Im Falle meines letzten GoLive-Buchs war allerdings der Grafiker der Leidtragende. Der durfte kurzfristig ein neues Cover machen (ohne dafür extra bezahlt zu werden), da das ursprüngliche Cover den Vertretern zu "wuselig" erschien.


    Dabei wird das Cover im Buch als Beispiel verwendet, plötzlich stimmte also der Bezug auf das Titelbild nicht mehr, bloß weil die Verlagsleitung kurzfristig ein anderes Titelbild orderte.


    Nun war das neue Titelbild zwar nicht toll, aber auch keine absolute Katastrophe, so dass mein Co-Autor und ich die Sache zähneknirschend geschluckt haben ...

  • Zitat

    Original von Iris
    Allerdings sind in solchen Konzernen so manche Entscheider davon überzeugt, daß der Endkunde nicht König, sondern Volldepp ist -- und ich bin der Überzeugung, daß es genau diese Mentalität ist, die zu stagnierenden Absatzzahlen führt.


    Wie sieht das eigentlich "draußen" bei den Lesern aus? Einige von euch sind doch in Leserforen - merken die das nicht langsam? Wenn ich mich im Bekanntenkreis umhöre, gibt's immer mehr Wut und Verweigerung, weil der Leser für grenzdebil gehalten wird. Manche Leute suchen richtig dramatisch nach guten Büchern und finden immer weniger. Nun ist mein Bekanntenkreis leider statistisch nicht relevant.


    Was ich mich auch frage: Sind das wirklich immer die Vertreter? Bisher sah ich bei denen noch das größte Urteilsvermögen, weil sie an der Basis, in den Buchhandlungen arbeiten. Obwohl, jetzt habe ich mich selbst widerlegt. Ich muss meine deutschsprachigen Bücher grundsätzlich bei amazon kaufen, weil die nächsten Buchhandlungen jenseits der Grenze entweder glattgebügelte Kette oder Ramschläden sind (eine hat sage und schreibe nur Nackenbeißer und Liebesromane, sonst nichts!) Dagegen bekomme ich meine französischen Bücher, inklusive Literatur und anspruchsvolles Sachbuch, in jedem größeren Supermarkt, von der Auswahl in Buchhandlungen ganz zu schweigen...


    Na, ich lass mich nicht beirren. Ich glaube an meine Leser und ihren Anspruch.


    Schöne Grüße,
    Petra

  • Ich kann Dich beruhigen, Viola... der Leser merkt das schon auch.


    Vielleicht nicht in dem Maße wie Autoren das spüren - aber dennoch reicht es für so manchen Besuch des Buchdealers, wo man mit leeren Händen und Kopfschütteln wieder abzieht.


    Angesichts des Schmonzes der sich auf den exponiert stehenden Büchertischen türmt, habe ich mir schon öfters mal gedacht: "Und wo stehen nun die GUTEN Bücher?"

  • Ich fürchte, es hat viel mit der geistigen Inzucht zu tun, die durch die von rein kostenorientierter Unternehmenspolitik geschürte Angst verursacht: Wer permanent um seine Zukunft fürchten muß, kann nicht kreativ sein, sondern wird bestenfalls operative Hektik mit bestenfalls mittelmäßigen Ergebnissen zeitigen.
    Ich sehe da allerdings derzeit kein Land in Sicht. Ehe nicht ein riesiger Börsencrash zum Umdenken zwingt, werden die "Nieten in Nadelstreifen" dieses und viele andere Länder in bester Radfahrermanier weiterhin an die Wand donneren -- und, da sie auch die Medien mit kontrollieren, alles "den Politikern" anlasten.


    Über die Problematik der derzeitigen Hauptzielgruppe der Publikumsverlage und Buchhandelsketten nur so viel: Es gibt sie, und sie sind mehr als man denkt.
    Aber weder bilden sie eine Mehrheit, noch haben sie das dicke Geld. Wenn alle großen Verlage und Buchhandelsketten ständig nur um diese Gruppe buhlen und alle anderen vernachlässigen, wird das den Gesamtetat in dieser einen Gruppe nicht erhöhen. Es wird vielleicht mehr Begehrlichkeiten wecken, aber eher die Tauschbörsen und die Sekundärmärkte befördern, denn selbst der Dümmste wird in der Not oder bei wachsenden Begehrlichkeiten erfinderisch. Aber genau davon haben die Verlage und der Buchhandel nichts. Zumal sie auch noch die geldige Klientel zunehmend vergrätzen. :achsel


    Bloß ... ich fürchte, angesichts all der Augenwischerei im Management wird es einige böse Pleiten brauchen, ehe da ein Zusammenhang gemacht wird. Bis dahin gibt es ja ein immer passendes Argument: Die Autoren sind schuld. =)

  • Zitat

    Original von viola
    Wie sieht das eigentlich "draußen" bei den Lesern aus? Einige von euch sind doch in Leserforen - merken die das nicht langsam? Wenn ich mich im Bekanntenkreis umhöre, gibt's immer mehr Wut und Verweigerung, weil der Leser für grenzdebil gehalten wird. Manche Leute suchen richtig dramatisch nach guten Büchern und finden immer weniger. Nun ist mein Bekanntenkreis leider statistisch nicht relevant.


    Die einzigen Bücher, die noch Originalität zeigen dürfen, sind Kinder- und Jugendbücher. Ich habe grade den Harry Potter VI am Wochenende gelesen, verglichen mit dem ist "Illuminati" nicht grenzdebil, sondern von einem Affen in die Tasten gehauen ...


    Tintenblut spielt auf mehreren Ebenen, kein Verlag würde so etwas in einem Buch für Erwachsene akzeptieren ...


    Despereaux erzählt erst die Geschichte von einer Maus, dann von einer Ratte und schließlich von einem Mädchen. Erst am Schluß kommen alle drei zusammen und die Autorin redet obendrein die Leser noch direkt an ...


    Der Dämon Bartimäus verwendet Fußnoten und eine sehr eigene, spannende, aber auch schwer nachzuvollziehende Ironie - im Gegensatz zu den plumpen Fußnoten in Schulzes "Wenderoman" Neue Leben ...


    Zitat


    Was ich mich auch frage: Sind das wirklich immer die Vertreter? Bisher sah ich bei denen noch das größte Urteilsvermögen, weil sie an der Basis, in den Buchhandlungen arbeiten. Obwohl, jetzt habe ich mich selbst widerlegt. Ich muss meine deutschsprachigen Bücher grundsätzlich bei amazon kaufen, weil die nächsten Buchhandlungen jenseits der Grenze entweder glattgebügelte Kette oder Ramschläden sind


    Auch Buchhandlungen haben so ihre Vorstellung von ihren Käufern. Ob Vertreter deshalb besser orientiert sind? Manche vielleicht, aber vielleicht nicht, weil sie mit Buchhändlern umgehen, sondern trotzdem.


    Abschreckendes Beispiel ist für mich immer noch Gite Lehrs "Die Lewins", das die Buchhandlungen als Roman a la John Irving anpreisen. Wenn du dir die Kommentare bei Amzon anschaust, siehst du, was die Käufer von dem Buch wirklich halten. Doch wen kümmerts, nach den gültigen Vermarktungsregeln ist es das, was die Käufer wollen.


    Schau dir mal die Kommentare zu Alex Cover im Netz an. Das wurde von Heyne/Fanpro den Fans auf den Leib gezeichnet. Was die davon hielten, haben sie deutlcih zum Ausdruck gebracht. "Ein Griff ins Klo" ist noch eines der freundlicheren Kommentare aus der Zielgruppe.


    Hans Peter


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    Literatur ohne Risiko?
    http://www.literaturnetz.com/m…ews&file=article&sid=2527

  • Zitat

    Original von hpr
    Wenn du dir die Kommentare bei Amzon anschaust, siehst du, was die Käufer von dem Buch wirklich halten. Doch wen kümmerts, nach den gültigen Vermarktungsregeln ist es das, was die Käufer wollen.


    Die erschreckend überwiegende Zahl der Rezis bei Amazon gibt den derzeitigen Vermarktungsregeln recht: wüster Schmonzes und Schund wird in den Himmel gepriesen und einzelne Verrisse animieren das Fandom zu einer Lobeshymnenschwemme, während Romane, die nicht nur auf Berieselung abzielen, auf der ganzen Linie Punktabzug riskieren.

  • Ich bin idealistisch und würde gerne daran glauben, dass Leser wie Batcat in der Mehrheit sind... oder endlich aufstehen und sich beklagen. Leider lehrt mich die Wirklichkeit anderes. Das war schon früher bei der Zeitung so. Für wochenlang mühselig recherchierte Großreportagen gab's von den Lesern Haue. Für das hingerotzte Abschreiberle aus dem Archiv über das schlechte Wetter und Hochwasser vor 100 Jahren hagelte es Lobeshymen und Leserbriefe.


    Und aus dem Kämmerchen geplaudert... weil ich vom Schreiben leben muss, schreibe ich auch Massenware, Auftragsarbeiten. Gerade eben bekam ich eine Zitatesammlung zurück, die Hälfte gestrichen. Ja, nee, die Zitate, die ich ausgesucht hätte, da müsse man nachdenken. Zu viel Goethe und Lichtenberg und so. Oft zu ironisch. Ich möge die bitte ersetzen: Zitate nicht länger als zwei Zeilen, absolut eindeutig, wo man wirklich nicht nachdenken und überlegen muss! Zur Not selbst was "Nettes, Einfaches" erfinden und "Anonymus" drunterschreiben. Aber traumhafte Auflagen...


    Hans-Peter, du widersprichst diesem Verkaufsklischee jetzt total. Angeblich sind es ja gerade die Kids, die nicht mehr lesen (können), weswegen auch die Erwachsenenbücher immer einfacher werden müssen, weil das hirnlich fähige Publikum angeblich wegstirbt. Deine Beispiele würden belegen, dass sich auch da die Marketingchefs irren... das wäre fein.


    Man kann nur hoffen, dass die Verlage, denen an Texten und Autoren wirklich gelegen ist, auch im Haifischbecken überleben. Es gibt sie ja und ich ertappe mich immer häufiger dabei, dass ich in der Buchhandlung zuerst nach denen suche, nicht auf dem Bestsellertisch.


    Schöne Grüße,
    Petra